4.1 Konzept und Ablauf eines IPOs

Bei der Konzeptionierung eines IPOs sind eine Fülle von einzelnen Schritten zu beachten, die alle in einem aufeinander aufbauenden Ablauf strukturiert werden müssen. In einem ersten Schritt geht es darum, einen groben Zeitplan aufzustellen. Weitere Themen, mit denen sich der Börsenkandidat befassen muss, sind die möglichen Marktsegmente und die Segmentwahl, die Ausgestaltung eines Kapitalkonzeptes, die Wahl unter den unterschiedlichen Aktiengattungen, die gezielte Zusammenstellung des Konsortiums, die Frage des öffentlichen Angebotes oder der Privatplatzierung, der Zeitpunkt der Notierungsaufnahme, die Planung einer zielgerichteten Allokation der Aktien, die Höhe des Emissionsvolumens sowie die Klärung des Zeitraumes der Veräußerungsverbote bzw. der Lock-up-Verpflichtungen der Altaktionäre.

Zeitplan

Der Zeitplan wird von dem Emittenten und den Konsortialbanken gemeinsam festgelegt. Ist ein Emissionsberater beteiligt, so wird der Zeitplan und die Überwachung der einzelnen Schritte von diesem koordiniert. Ist kein Emissionsberater eingeschaltet, so beginnt der Zeitplan der Konsortialbank mit ihrer Mandatierung und endet mit dem Tag der Notierungsaufnahme bzw. dem Ablauf der Greenshoe- Periode. In der Regel liegen zwischen diesen beiden Terminen ca. sechs bis sieben Monate. Aus dem meistens als Balkenplan dargestellten Zeitplan lässt sich der (zeit-)kritische Pfad entnehmen.

Schritte eines groben Zeitplans

Mandatierung
Due Diligence
Wertpapierprospekt
Research-Studie
Legal Opinion
Comfort Letter
Investorenansprache
Analystengespräche
Veröffentlichung des Verkaufsangebots
Bookbuilding
Preisfestlegung/Übernahme/Zuteilung/Lieferung der Aktien
Notierungsaufnahme

Nach der Mandatierung der Konsortialbank ergeben sich folgende Schritte:

Due Diligence:

Die Due-Diligence-Prüfung wird im Vorfeld eines IPOs von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern sowie speziellen Fachleuten im Auftrag der Konsortialbanken durchgeführt. Bei dieser sorgfältigen Prüfung des Emittenten werden die Stärken und Schwächen sowie latente Probleme analysiert bzw. noch im Vorfeld des IPOs ausgeräumt. In der Regel wird eine Financial, Legal und Tax Due Diligence durchgeführt. In seltenen Fällen wird zusätzlich noch eine Market und Technical Due Diligence in Auftrag gegeben.

Erstellung und Billigung des Prospekts:

Der Wertpapierprospekt enthält alle notwendigen Informationen über den Emittenten und dient dem Investor für seine Anlageentscheidung. Seit der Einführung des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) zum 1. Juli 2005 und der zugehörigen „Prospektrichtlinie“ sind die erforderlichen Mindestinhalte vorgegeben. Hierzu gehören z. B. Informationen zur Geschäftstätigkeit, zu den Finanzzahlen, zum Markt und Wettbewerb, zum Management und zum öffentlichen Angebot des Emittenten. Der Prospekt wird in der Regel von den Konsortialbanken in Zusammenarbeit mit des Emittenten und dem Wirtschaftsprüfer erstellt. Das anschließende Prospektbilligungsverfahren bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht betreibt der Konsortialführer im Auftrag des Emittenten. In der Praxis haben sich Billigungs-Fristen von ca. sechs bis acht Wochen als „Standard“ etabliert. Innerhalb dieser Frist können die weiteren Schritte vorbereitet bzw. durchgeführt werden. Hierunter fallen z. B. die Ausarbeitung der Research Reports durch die Analysten, die Führung der Pre-Marketing-Gespräche mit ausgewählten Lead-Investoren und das Vorbereiten des Managements auf die Presse- und Analystenkonferenz.

Pre-Marketing:

Die oben bereits erwähnten Gespräche mit den ausgewählten Lead-Investoren geben dem Emittenten und den Konsortialbanken ein Feedback zur Equity Story, zur Unternehmensbewertung und zum Management. Die Einschätzungen der Key-Investoren fließen in die nachfolgenden Überlegungen zur Festsetzung des Verkaufspreises (Festpreis) oder der Preisspanne (Bookbuilding) für die Aktien ein. Kurz vor Beginn der Platzierungsfrist bestimmen der Emittent und die Konsortialbanken den Festpreis oder die Bookbuilding-Spanne.

Platzierungsfrist:

Nach Veröffentlichung des gebilligten Prospekts beginnt die Platzierungsfrist, die in der Regel sieben bis 14 Tage andauert. Innerhalb dieser Zeit haben die interessierten Investoren die Möglichkeit, die Aktien des Emittenten zu zeichnen. Zeichnungen nehmen sämtliche Konsortialbanken und zusätzlich mandatierte Selling Agents entgegen. Am Ende der Zeichnungsfrist werden die Aktien zum Platzierungspreis den Investoren zugeteilt. Bei Anwendung des Bookbuilding-Verfahrens legt der Emittent zusammen mit der Führungsbank den endgültigen Verkaufspreis fest.

Notierungsaufnahme und Greenshoe:

Im Anschluss an die wertpapiertechnische Abwicklung der Aktienzuteilung beginnt die Notierung der Aktien des Emittenten an der Wertpapierbörse. Sofern im Rahmen der Aktienzuteilung die Greenshoe- Option (Mehrzuteilungsoption) ausgeübt wurde, dienen diese Aktien der Marktstabilisierung innerhalb der folgenden sechs Wochen. Ist am Ende der Platzierungsfrist die Nachfrage deutlich größer als das Angebot an Aktien des Emittenten, können die Konsortialbanken weitere Aktien zum Platzierungspreis zuteilen. Sollten in der Frist von sechs Wochen Aktien zur Marktstabilisierung vom Bankenkonsortium zurückgekauft werden, so werden diese an die Optionsgeber zurückgegeben, die Mehrzuteilungsoption gilt dann als nicht ausgeübt. Üblicherweise beträgt die Greenshoe-Option zwischen 10 % bis 15 % der angebotenen Aktien.

Zur Konzeptionierung eines IPOs spielen weitere Aspekte eine Rolle, die im laufenden IPO-Prozess zu entscheiden sind.

Marktsegment/Segmentwahl

Seit dem 1. November 2007 sind der regulierte Markt und der Freiverkehr (wird von den jeweiligen Wertpapierbörsen organisiert) die einzigen gesetzlich geregelten Marktsegmente in Deutschland. Die Segmentwahl ist von zahlreichen Faktoren abhängig, welche weiter unten aufgeführt sind.

Hinsichtlich der Zulassungsfolgepflichten hat die Deutsche Börse AG als Trägerin der Frankfurter Wertpapierbörse seit dem 2. Januar 2003 zwei Transparenzlevels (General Standard und Prime Standard) eingeführt, die nunmehr auf Basis des regulierten Marktes bestehen.

General Standard:

  • Gesetzliche Mindestanforderungen des reguliertenMarktes (Prospektpflicht)
  • Jahresfinanzbericht ist innerhalb von vier Monatennach Ende des Geschäftsjahres zu veröffentlichen
  • Halbjahresfinanzbericht muss innerhalb von zweiMonaten nach Ende des Berichtszeitraums veröffentlichtwerden
  • Zwischenmitteilungen für Quartal 1 und Quartal 3
  • Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards(nur für Konzerngesellschaften)
  • Offenlegung von Directors´ Dealings
  • Ad-hoc-Publizitätspflicht
  • Mitteilung zu Meldeschwellen
  • Pflichtangebot bei Kontrollwechsel

Prime Standard:

  • Es sind weitere über die Anforderungen des GeneralStandard hinausgehende Transparenzanforderungenzu erfüllen:
    • Berichterstattung einschl. Quartalsberichte auchin englischer Sprache
    • Veröffentlichung eines aktuellen Unternehmenskalenders
    • Durchführung mindestens einer Analystenkonferenzpro Jahr

Der Freiverkehr, der von den jeweiligen Wertpapierbörsen organisiert wird, ist neben dem regulierten Markt das zweite gesetzliche Marktsegment in Deutschland. Nach § 57 BörsG (Börsengesetz) haben die Wertpapierbörsen die Möglichkeit, dieses Marktsegment zuzulassen. Die Einbeziehungsvoraussetzungen sind deutlich geringer als im regulierten Markt. Der von einem Handelsteilnehmer zu stellende Antrag muss eine genaue Beschreibung der Wertpapiere beinhalten und dem Antrag ist entweder ein Exposé oder ein Wertpapierprospekt beizufügen.

Ebenso wie im regulierten Markt unterliegen die Emittenten den gesetzlichen Regelungen zur Insidergesetzgebung und zum Marktmissbrauch. Darüber hinaus prüft die Handelsüberwachungsstelle der jeweiligen Wertpapierbörse die Preisfindung. Die Regelungen zum öffentlichen Angebot im Sinne des WpPG (Wertpapierprospektgesetz) sind von allen Emittenten zu beachten.

Um insbesondere jungen, aber auch etablierten mittelständischen Börsenaspiranten ein attraktives Börsensegment anzubieten, haben die Börse München und die Frankfurter Wertpapierbörse im Jahr 2005 neue Marktsegmente auf Basis des Freiverkehrs geschaffen. Beide Segmente ermöglichen den kostengünstigen Zugang mittels einer aktuellen Unternehmensdarstellung bzw. Exposé ohne die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines gebilligten Wertpapierprospekts. Typische Antragsdokumente sind: Satzung, aktueller Auszug aus dem Handelsregister und Jahresabschlüsse. Die Emittenten verpflichten sich zur Einhaltung der jeweiligen Folgepflichten. Dadurch erhalten die Investoren eine Vielzahl für ihre Anlageentscheidung relevanter Informationen, wobei aufgrund der Emittentenstruktur dennoch erhöhte Risiken verbleiben.

Das Freiverkehrsegment der Börse München, M:access, wurde am 1. Juli 2005 eingeführt. Der Emittent verpflichtet sich insbesondere zur Einhaltung dieser Folgepflichten:

  • Veröffentlichung eines unterjährigen Emittentenberichtesmit den für die Bewertung der von ihmemittierten Wertpapiere relevanten Informationen;der Bericht soll sechs Monate nach der Veröffentlichungder Kernaussagen des geprüften Jahresabschlussesdes Emittenten veröffentlicht werden.
  • Unverzügliche Veröffentlichung von in seinemTätigkeitsbereich eingetretenen Tatsachen, wenndiese wegen ihrer Auswirkung auf die Vermögens- oder Finanzlage oder auf den allgemeinenGeschäftsverlauf geeignet sind, den Börsenpreisder von ihm emittierten Wertpapiere erheblich zubeeinflussen.
  • Veröffentlichung eines Unternehmenskalenders.
  • Jährliche Teilnahme an mindestens einer Analystenkonferenz.
  • Jährliche Ausrichtung oder Teilnahme an einer Investorenkonferenz.

Analog zu den bereits etablierten Transparenzlevels Prime Standard und General Standard hat die Deutsche Börse AG am 25. Oktober 2005 den Entry Standard gestartet. Der Entry Standard stellt an die Emittenten die folgenden Transparenzanforderungen:

  • Unverzügliche Veröffentlichung wesentlicherUnternehmensnachrichten oder -umstände, die fürdie Bewertung des Wertpapiers oder des Unternehmensbedeutsam sein können.
  • Veröffentlichung des Jahresabschlusses spätestensinnerhalb von sechs Monaten nach Beendigung desBerichtzeitraums.
  • Veröffentlichung eines aktuellen Unternehmenskurzporträtsund eines Unternehmenskalenders.
  • Veröffentlichung des Zwischenberichts spätestensinnerhalb von drei Monaten nach Ende der erstensechs Monate des laufenden Geschäftsjahres.

Kriterien zur Segmentwahl sind z. B.:

1. Unternehmensalter
2. Unternehmensgröße (Umsatzhöhe)
3. Erwartete Marktkapitalisierung
4. Streubesitzanteil
5. Investorenzielgruppe
6. Peergroup
7. Kostenbelastung durch Erfüllung der Folgepflichten

Emissionskonzept

Das Emissionskonzept beinhaltet zahlreiche Parameter, die im Vorfeld des IPOs festgelegt werden. Hierunter fallen insbesondere:

1. Equity Story
2. Finanzbedarf
3. Mittelverwendung
4. Umplatzierung
5. Investorenzielgruppe
6. Börsensegment
7. Mitarbeiterbeteiligung
8. Lock-up-Vereinbarungen

Mittels des Emissionskonzeptes wird die IPO-Strategie des Emittenten am Kapitalmarkt präsentiert.

Einer der bedeutendsten Bestandteile des Emissionskonzepts ist die Equity Story. In ihr wird der Emittent mit seinen Produkten bzw. Dienstleistungen dargestellt. Der Markt und die Wettbewerber sind ebenso Gegenstand der Equity Story wie die Finanzzahlen. Die Aufnahme von Eigenkapital stellt den eigentlichen Beweggrund für ein IPO dar. Das angestrebte Emissionsvolumen der Kapitalerhöhung wird für das geplante organische und ggf. anorganische Wachstum des Emittenten eingesetzt.

Ist der Emittent bereits vor dem IPO mit Venture Capital oder Private-Equity-Mitteln finanziert, werden diese Investorengruppen einen Teil bzw. ihr gesamtes Engagement im Rahmen des IPOs verkaufen. Daher werden neben den neuen Aktien aus der Kapitalerhöhung auch Aktien der bisherigen Aktionäre angeboten bzw. „umplatziert“. Die Höhe des geplanten Emissionsvolumens ist ein Kriterium für die Auswahl der anzusprechenden Investorengruppe (Privatanleger und/oder institutionelle Investoren). Die überwiegende Anzahl der institutionellen Anleger wird ein Engagement bei einem IPO mit einem Emissionsvolumen unterhalb 50 Mio. Euro nicht in Erwägung ziehen. Bei einem für diese Investorengruppe üblichen Investment wäre die prozentuale Beteiligungshöhe an dem Emittenten zu hoch und das spätere Desinvestment über die Börse könnte negative Auswirkungen auf den Aktienkurs haben bzw. überhaupt unmöglich sein.

Die in Deutschland bestehenden zwei gesetzlichen Marktsegmente, der regulierte Markt und der Freiverkehr, bieten sowohl den Emittenten als auch den Investoren ein Mehr an Transparenz.

Ein weiterer Bestandteil des Emissionskonzeptes ist die Beteiligung der Mitarbeiter am Eigenkapital des Unternehmens. Die Mitarbeiter erwerben Aktien aus einer Kapitalerhöhung und verpflichten sich gleichzeitig, diese Aktien nicht vor Ablauf einer bestimmten Frist zu verkaufen. Weitere Formen sind: bevorrechtigte Zeichnung beim IPO, Gewährung von Phantom Stocks und von Wandelschuldverschreibungen.

Für die potenziellen Zeichner der Aktienemission sind ein weiterer wichtiger Aspekt die Lock-up- Regelungen der bisherigen Aktionäre (Venture-Capital- und/oder Private-Equity-Investoren, Vorstand, Aufsichtsrat und Mitarbeiter). Lock-up-Fristen zwischen sechs und 24 Monaten sind durchaus üblich. Oftmals werden hier Vereinbarungen mit gestaffelten Fristen abgeschlossen. Dass die Venture-Capitalund Private-Equity-Investoren das IPO als Exit für einen Teil ihrer Aktien nutzen, wird im Allgemeinem von den Investoren akzeptiert. Sollten jedoch auch andere Altaktionäre beim IPO einen größeren Teil ihrer Aktienbestände verkaufen, kann hier schnell der Eindruck des „Kasse machen“ entstehen und möglicherweise den endgültigen Erfolg des IPOs gefährden.

Aktiengattungen

In Deutschland werden die Aktiengattungen nach Übertragbarkeit (Inhaberaktien oder Namensaktien), Stimmrecht (Stammaktien oder Vorzugsaktien), Unternehmensanteil (Nennwertaktien, Stückaktien oder Quotenaktien) und Emissionszeitpunkt (alte Aktien oder junge Aktien) unterschieden.

Inhaberaktien:

  • Lauten auf keinen bestimmten Namen
  • Inhaber ist Träger der verbrieften Rechte
  • Übertragung durch Einigung und Übergabe
  • Ausgabe nur bei voll eingezahltem Nennbetrag

Namensaktien:

  • Lauten auf den Eigentümer (jedoch auch Drittez. B. Depotbanken möglich)
  • Aktionäre werden im Aktienbuch eingetragen
  • Übertragung erfolgt durch Einigung, Indossamentund Übergabe
  • Übertragung erfordert Umschreibung im Aktienbuch
  • Ausgabe auch möglich bei nicht voll eingezahltemGrundkapital

Eine Sonderform der Namensaktie ist die vinkulierte Namensaktie, bei der die Übertragung auch an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden ist.

Stammaktien:

  • Die in Deutschland am häufigsten vorkommendeForm
  • Verbriefen entsprechend ihrem (rechnerischen)Nennwert gleiche Rechte (Teilnahme und Stimmrecht bei Hauptversammlung, Auskunftserteilung,Dividendenanspruch, Bezugsrecht auf neue Aktien,Recht auf Anteil am Liquidationserlös)

Vorzugsaktien:

  • Gewähren den Aktionären gesonderte Rechte z. B.bei der Gewinnverteilung oder der Verteilung des Liquidationserlöses
  • Bei der Ausgabe der Vorzugsaktien ist es möglich,die Aktien ohne Stimmrecht auszugeben. Hierfür erhalten die Aktionäre einen nachzuzahlendenVorzug bei der Gewinnverteilung

Nennwertaktien:

  • Lauten auf einen bestimmten Nominalbetrag
  • Die Summe der Nennwerte entspricht der Höhe des Grundkapitals

Stückaktien:

  • Nennwertlose Aktien
  • Die Summe der Aktien entspricht grundsätzlich der Höhe des Grundkapitals
  • Verfügen somit über einen sog. rechnerischenNennwert
  • In Deutschland die am weitesten verbreitete Form

Quotenaktien:

  • Lauten auf eine bestimmte Quote
  • Quotaler Anteil am Reinvermögen wird festgeschrieben
  • Quotenaktien in Deutschland nicht zulässig
  • In USA weit verbreitetet

Emissionsvolumen

Die Höhe des Emissionsvolumens, eines der zentralen Themen beim IPO, orientiert sich u. a. am mittelfristigen Finanzierungsbedarf des Emittenten. Das Kapital ist entsprechend dem Unternehmensgegenstand zu verwenden und sollte eine attraktive Rendite erwirtschaften.

Die Höhe des Emissionsvolumens ist auch ein Entscheidungskriterium für das Engagement der institutionellen Investoren an der Emission. Darüber hinaus muss das Emissionsvolumen groß genug sein, damit nach dem IPO ein ausreichend hoher Streubesitzanteil vorhanden ist.

Das endgültige Emissionsvolumen setzt sich aus der Anzahl der platzierten Aktien multipliziert mit dem entsprechenden Platzierungspreis pro Aktie zusammen. Üblicherweise setzt sich das gesamte Emissionsvolumen aus der Platzierung von Aktien aus einer Kapitalerhöhung, aus der Umplatzierung von Aktien der bisherigen Aktionäre und einer Mehrzuteilungsoption zusammen. Die Aktien für die Mehrzuteilungsoption können sowohl aus dem Bestand der bisherigen Aktionäre (dann gleicht dies einer Umplatzierung) als auch aus einer weiteren Kapitalerhöhung zur Verfügung gestellt werden.

Folgende Relationen zum gesamten Emissionsvolumen sind am Kapitalmarkt üblich:

  • Aktien aus Kapitalerhöhung: 50 % bis 70 %
  • Aktien aus Umplatzierung: 20 % bis 40 %
  • Aktien aus einer Mehrzuteilungsoption: 10 % bis15 %

Die prozentuale Höhe der Aktien aus Umplatzierungam gesamten Emissionserlös ist regelmäßigin der Diskussion. Das primäre Ziel eines IPOs ist,möglichst viel Eigenkapital für das Unternehmen amKapitalmarkt aufzunehmen. Dennoch ist es Usance,auch den bisherigen Aktionären (Altaktionäre) die Möglichkeit einzuräumen, einen Teil ihrer Aktienbeim IPO zu veräußern. Der Kreis der Altaktionärekann grob in zwei Gruppen eingeteilt werden:

  • (1) Gründer, Vorstand, Aufsichtsrat und Mitarbeiter(jeweils inkl. Familienangehörigen)
  • (2) Venture-Capital- oder Private-Equity-Investoren

Die Höhe der Umplatzierung von Aktien aus Gruppe (1) ist besonders bei einem schwierigen IPO-Marktumfeld eher gering zu halten. Die Altaktionäre der Gruppe (2) nutzen den Exit beim IPO ihrem normalen Geschäftszweck entsprechend. Dieser Anteil kann grundsätzlich immer höher sein als der Anteil der Gruppe (1), ohne eine besonders kritische Diskussion auszulösen. Für die endgültige Zusammensetzung der Umplatzierung ist stets eine sensible Wahrnehmung des aktuellen Umfelds notwendig. Setzt sich die Mehrzuteilungsoption aus Aktien aus einer Kapitalerhöhung zusammen, stellt dies stets ein besonders positives Signal an den Kapitalmarkt dar.

Gezielte Zusammenstellung des Konsortiums

Die Zusammenstellung des Bankenkonsortiums ist einer der wichtigsten Faktoren für ein erfolgreiches IPO. Unter den Konsortialbanken werden unterschiedliche Rollen verteilt. Diejenige Bank, die den eigentlichen Emissionsvertrag mit dem Emittenten abgeschlossen hat, ist in der Regel später der Konsortialführer und wählt zusammen mit dem Unternehmen die Mitglieder des Bankenkonsortiums aus.

Zentraler Punkt der Überlegungen zur Zusammenstellung des Bankenkonsortiums ist die Maximierung der Nachfrage nach den Aktien dem Emittenten. Ziel ist es, eine möglichst breite Investorenbasis anzusprechen und zum Ende der Platzierungsfrist einen optimalen Emissionspreis für die Aktien des Emittenten zu erreichen.

Bezeichnungen der Konsortialmitglieder (in absteigender Reihenfolge ihrer Funktion):

  • Global Coordinator/Lead Manager (Konsortialführer)/Bookrunner
  • Joint-Lead Manager
  • Co-Lead Manager
  • Co-Manager
  • Retail Syndicate/Selling Agents

Öffentliches Angebot versus Privatplatzierung

Das öffentliche Angebot von Aktien des Emittenten im Rahmen eines IPOs erfolgt auf Basis eines gemäß § 3 WpPG (Wertpapierprospektgesetz) erforderlichen Wertpapierprospekts. Hiermit kann das „breite Publikum“ angesprochen werden. Sollen die Aktien bei einer begrenzten Anzahl von potenziellen Investoren platziert werden, spricht man von einer Privatplatzierung und benötigt keinen Prospekt.

Beabsichtigt der Börsenkandidat im Rahmen eines klassischen IPOs (Kapitalerhöhung im Rahmen einer öffentlichen Platzierung) die Zulassung der Aktien im regulierten Markt oder die Einbeziehung der Aktien im z. B. Entry Standard, so muss er einen Wertpapierprospekt veröffentlichen (hierbei kommt es auf den Tatbestand des öffentlichen Angebots an).

Entscheidet sich der Emittent jedoch dazu, die Aktien ohne öffentliches Angebot z. B. lediglich in den Entry Standard einbeziehen zu lassen (Listing), ist es zulässig, die Aktien im Rahmen einer Privatplatzierung ohne einen Wertpapierprospekt zu vertreiben. Offen bleibt dann dennoch die Frage, welche Informationen nach dem Listing gegeben werden dürfen, ohne in den Bereich des öffentlichen Angebots zu kommen.

Laut § 2 WpPG ist ein öffentliches Angebot von Wertpapieren:

„Eine Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, über den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden.“

Liegen diese Gegebenheiten nicht vor, benötigt der Emittent demnach keinen Wertpapierprospekt. Die eindeutige und klare Abgrenzung, welche Aussagen die Emittenten ohne einen Wertpapierprospekt treffen können, ist bis dato in der noch jungen Praxis des Wertpapierprospektgesetzes (am 1. Juli 2005 in Kraft getreten) noch nicht abschließend geklärt.

Gemäß §§ 44 ff BörsG (Börsengesetz) bzw. §§ 13, 13a VerkProspG (Verkaufsprospektgesetz) besteht für den Emittenten eine Rücknahmepflicht, wenn Wertpapiere ohne Wertpapierprospekt öffentlich angeboten werden. Will der Emittent dies vermeiden, so muss er einen Wertpapierprospekt veröffentlichen.

Kapitalaufnahme über die Börse

Die Aufnahme von Kapital über die Börse ist der eigentliche Zweck des Börsengangs für die Unternehmen. In der Regel erfolgt dies erstmals über die Eigenkapitalaufnahme im Rahmen eines IPOs. Danach sind weitere Kapitalerhöhungen (Eigenkapital) und auch die Aufnahme von Fremdkapital oder von Mezzanine-Kapital möglich. Dass zuerst über die Börse Fremdkapital, z. B. durch die Ausgabe eines „Pre-IPO Convertibles“, aufgenommen wird, ist in der Praxis sehr selten. In Phasen geringer Emissionstätigkeit, ausgelöst durch die Kaufzurückhaltung der Investoren, bietet sich ein „IPO easy“ an. Hierbei werden z. B. zunächst sämtliche Aktien des Emittenten mittels eines Wertpapierprospekts im regulierten Markt einer Börse zugelassen. Sobald sich die allgemeine Emissionsaktivität erhöht und der Emittent erfolgreich am Markt agiert hat, kann in Form einer Kapitalerhöhung die Finanzierung über die Börse im Nachhinein erfolgen.

Notierungsaufnahme

Die Notierungsaufnahme ist der erste Handelstag für z. B. Aktien oder Inhaberschuldverschreibungen des Emittenten an der Wertpapierbörse. Die Beantragung erfolgt für gewöhnlich durch die Bank im Auftrag des Emittenten. Je nach Marktsegment bestehen unterschiedliche Verfahren für die Beantragung der Notierungsaufnahme.

Regulierter Markt:

In diesem öffentlich-rechtlichen Marktsegment geht dem eigentlichen Antrag auf Notierungsaufnahme der notwendige Antrag auf Zulassung der Wertpapiere voraus. Der nachfolgende Antrag auf Einführung (Notierungsaufnahme) zugelassener Wertpapiere im regulierten Markt muss insbesondere folgende Angaben enthalten:

  • Daten zum Emittenten (Vertragsverhältnis zwischenEmittent und Börse)
  • Art der einzuführenden Wertpapiere
  • Angaben zur Zulassung
  • Allgemeine und besondere Angaben zur Börseneinführung

Freiverkehr:

Für die Beantragung der Einbeziehung von Wertpapieren in den Freiverkehr (privatrechtlich) ist kein vorheriges Zulassungsverfahren notwendig. Folgende Angaben sind erforderlich:

  • Angaben zum Antragsteller (Vertragsverhältniszwischen Antragsteller und Börse)
  • Art der einzubeziehenden Wertpapiere
  • Angaben zur Notierung

Zielgerichtete Allokation von Aktien

Nach Abschluss der Platzierungsfrist nehmen Emittent und Banken gemeinsam die Zuteilung der Aktien an die Investoren vor. Die geplante Aktionärsstruktur ist ein zentrales Kriterium für die Zuteilungsentscheidung. Es werden sämtliche Zeichnungen (Kaufangebote), welche zuvor im sog. Orderbuch vom Bookrunner (Konsortialführer) erfasst wurden, berücksichtigt. Die Zuteilung erfolgt in der Regel noch am Abend des letzten Tages der Platzierungsfrist und wird nach Möglichkeit auch taggleich kommuniziert.

Eine zielgerichtete Allokation der Aktien umfasst die sinnvolle Diversifizierung der Aktionärsbasis, da sich das Anlageverhalten der unterschiedlichen Aktionärsgruppen deutlich unterscheidet. Folgende Aktionärsstrukturen sind denkbar:

Aktionärsstruktur nach Investorentyp:

  • Privatanleger
  • Institutionelle Investoren
  • Strategische Investoren

Geografische Aktionärsstruktur (Beispiel):

  • Deutschland
  • Großbritannien
  • USA
  • Andere Länder

Als Beispiel zum unterschiedlichen Anlageverhalten der Aktionärsgruppen wird die Gegenüberstellung von Privatanlegern und institutionellen Investoren herangezogen.

Privatanleger Institutionelle Investoren
  • Eher auf einzelne Werte ausgerichtet
  • Absolute Wertentwicklung wichtig
  • Bevorzugung inländischer Aktien
  • Anlageentscheidungen eher emotional
  • Leicht verständliche Bewertungskennziffern(z. B. KGV, KUV) werdenherangezogen
  • Niedrigere Preissensivität
  • Orientierung auch an Empfehlungenvon Börsenbriefen und Internet-Diskussionen
  • Eher auf Sektoren fokussiert
  • Orientierung auch an Benchmarks
  • Investment auch internationaler Aktien
  • Analytische Investmententscheidung
  • Einsatz komplexer Bewertungsmodelle(z. B. DCF-Methode, Realoptionenansatz)
  • Absolut preissensitiv

Für die Zuteilung an Privatanleger bestehen seit dem 7. Juni 2000 die „Grundsätze für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger“, welche von der Börsensachverständigenkommission im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen herausgegeben wurden. Der Anlass für diese Grundsätze war, dass in den Jahren zuvor das Zuteilungsverfahren für Privatanleger äußerst kritisch gesehen wurde. Die Grundsätze sind eine Verhaltensempfehlung für Emittenten und Banken, die an Aktienemissionen beteiligt sind. Ziel ist es, bei der Auswahl geeigneter Verfahren, insbesondere bei überzeichneten Emissionen, Transparenz für die Privatanleger herzustellen.

Folgende Zuteilungsverfahren werden empfohlen:

  • Losverfahren:
    Die Aktien werden durch Los unter den Kaufwilligen nach einem für alle identischen Losschema oder nach verschiedenen Losgrößen verteilt.
  • Zuteilung nach Ordergöße:
    Orders innerhalb einer Ordergrößenklasse erhalten dieselbe prozentuale oder pauschale Zuteilung, wobei verschiedene Ordergrößenklassen unterschiedliche Zuteilungen erhalten können.
  • Zuteilung anhand einer bestimmten Quote:
    Die Gesamtzahl der verfügbaren Aktien wird quotal, d. h. gemäß einem festen Bruchteil des Kaufangebots, auf alle oder auf die Kaufwilligen einer bestimmten Mindeststückzahl verteilt; Rundungen sind zulässig.
  • Zuteilung nach dem Zeitpunkt des Eingangs desKaufangebots:
    Kaufangebote werden nach zeitlicher Reihenfolge des Eingangs bedient.

Auswahl nach anderen sachgerechten Kriterien:

Die Auswahl der zu berücksichtigenden Kaufwilligen hat hier im Hinblick auf die Fairness des Verfahrens nach anderen, ebenfalls sachgerechten Kriterien zu geschehen, kann also beispielsweise nach regionalen Aspekten erfolgen, sofern die Zuteilung an Kaufwillige aus der Region wiederum nach den vorstehend beschriebenen Kriterien erfolgt. Ein anderes sachgerechtes Kriterium ist z. B. eine bestehende langfristige Kundenbeziehung zum Emittenten.

Veräußerungsverbote / Lock-up-Verpflichtungen

Die Lock-up-Verpflichtung regelt die rechtliche Zulässigkeit von Aktienverkäufen eines bisherigen Aktionärs (Altaktionär) des Emittenten. Diese Vereinbarung wird in der Regel zwischen dem jeweiligen Aktionär, dem Emittenten und dem Konsortialführer abgeschlossen. Zum Kreis der Altaktionäre gehören normalerweise die Gründer der Gesellschaft, der Vorstand und Aufsichtsrat sowie die Familienangehörigen dieser Personen und die Mitarbeiter. Sämtliche Altaktionäre sollten sich grundsätzlich zu einem Veräußerungsverbot ab dem IPO verpflichten. Oftmals wird jedoch lediglich mit denjenigen Altaktionären, die unmittelbar vor dem IPO mit mehr als 5 % am Kapital des Emittenten beteiligt sind, eine Lock-up-Verpflichtung abgeschlossen.

Funktionen der Veräußerungsverbote:

  • Marktschutz
  • Vertrauensfunktion

Werden mit den entsprechenden Altaktionären keine Lock-up-Verpflichtungen abgeschlossen, können diese ihre Aktien ab dem Tag der Notierungsaufnahme über die Börse verkaufen und lösen somit ggf. ein Absinken des Aktienkurses aus. Entsprechende Veräußerungsverbote verhindern dies und schützen somit den Markt, zumindest für die Lock-up-Frist. Darüber hinaus ist das Vorliegen der Lock-up-Erklärungen sowie im Besonderen deren Dauer ein positives Signal an die Investoren und den Kapitalmarkt. Die Entscheidung vieler Investoren orientiert sich auch am Bestehen und der Dauer der Veräußerungsverbote.

Formen der Lock-up:

  • Hard Lock-up
  • Soft Lock-up

Bei der Hard Lock-up-Verpflichtung ist der Verkauf der Aktien erst nach Ablauf der Frist möglich. Der Soft Lock-up ermöglicht den Verkauf der Aktien, sofern Konsortialführer dem Verkauf zustimmt. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn der Aktienverkauf nicht zu einem Absinken des Börsenpreises führt. Im Allgemeinen werden die Aktien dann nicht über die Börse, sondern in einem Paket direkt an den Investor veräußert.

Wertpapiertechnische Umsetzung:

  • Gesonderte ISIN (International SecuritiesIdentifications Number)
  • Sperrvermerk

Für die wertpapiertechnische Umsetzung der Lock-up-Regelungen existieren mehrere Möglichkeiten. Im Vorfeld des IPOs können die dem Lock-up unterliegenden Aktien in eine gesonderte Sperr-ISIN umgebucht werden. Nach Ablauf der Haltefristen (sofern vereinbart auch gestaffelt) werden die Aktien im Auftrag der Konsortialbank wieder in die Stamm- ISIN zurückgebucht. Eine Alternative dazu ist, einen Sperrvermerk zur Aktie in die Wertpapier-Systeme der Banken einzugeben. Es ist jedoch in der Praxis nicht unüblich, dass keine wertpapiertechnischen Vorkehrungen für die Umsetzung der Lock-up-Verpflichtungen getroffen werden.



Autor: Gerhard A. Koning / Maik Jacobs
PDF: Konzept und Ablauf eines IPOs