4.21. Communication Guidelines

Ein IPO lebt von der Kommunikation – der Emittent und die emissionsbegleitenden
Banken wenden sich bewusst an die Öffentlichkeit, um die Transaktion zu „vermarkten“ und zu einem wirtschaftlichen Erfolg werden zu lassen. Damit diese
Kommunikation in geordneten Bahnen verläuft und die rechtlichen wie auch wirtschaftlichen Risiken eines fehlgeleiteten oder rechtswidrigen Kommunikationsverhaltens vermieden werden, verpflichten sich die wesentlichen Beteiligten eines IPOs freiwillig zur Befolgung bestimmter Regeln und Abläufe, die in einem zwischen diesen Beteiligten zirkulierten Memorandum, den Communication Guidelines, festgelegt sind.

Risikovermeidung als Zweck

„Communication Guidelines“ oder „Kommunikationsrichtlinien“ (mitunter auch „Publicity Guidelines“ oder „Publizitätsrichtlinien“ genannt) verfolgen den Zweck, die Unternehmenskommunikation von Emittenten im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit Aktienemissionen so zu regeln, dass sie im Einklang mit rechtlichen Vorschriften und der Marktpraxis steht. Damit sollen im Interesse aller Parteien negative Folgen für die Beteiligten und die Transaktion vermieden werden. Eine zwischen den Parteien nicht abgestimmte, inhaltlich fehler- oder risikobehaftete, gegenüber den falschen Personen oder zum falschen Zeitpunkt betriebene Kommunikation birgt vor allem folgende Gefahren:

  • Zivilrechtliche Haftungsrisiken
  • Strafrechtliche Verantwortlichkeit
  • Aufsichtsbehördliche Untersagung der Transaktion
  • wertpapierprospektrechtliche Implikationen und
  • Reputationsrisiken

Richtig verfasst und angewendet, können Communication Guidelines helfen, die obigen Risiken rechtzeitig zu identifizieren und zu vermeiden. Kein Zweck der Communication Guidelines ist es jedoch, dem Unternehmen eine inhaltliche Zensur aufzuerlegen oder die routinemäßige, geschäftsübliche Unternehmenskommunikation zu beschränken. Es handelt sich vielmehr um ein – zugegebenermaßen oft mühsames, aber notwendiges – Verfahren zur Vorprüfung von Veröffentlichungen mit potenziellem Bezug zum IPO, von denen sich die meisten als unproblematisch herausstellen werden. Sollte es doch Diskussionspunkte geben, wird am Ende des Prüfungsprozesses jeweils eine einvernehmliche Lösung zwischen den Beteiligten stehen.

Verfasser und Format

Communication Guidelines werden für gewöhnlich von den Rechtsberatern des Emittenten nach enger Absprache mit den Rechtsberatern der emissionsbegleitenden Banken erstellt. Es handelt sich vom Format her um ein juristisches Memorandum, das an den Emittenten als Empfänger sowie an die emissionsbegleitenden Banken und deren Rechtsberater als Kopieempfänger adressiert ist. Einbezogen in den Adressatenkreis sind gegebenenfalls die abgebenden und/oder wesentlichen Aktionäre des Emittenten. Diese spielen zum einen in der Transaktion eine eigene wichtige Rolle als entscheidungsbefugte Eigentümer oder Verkäufer. Zum anderen betreiben sie, falls es sich ihrerseits um größere Unternehmen handeln sollte, ihre eigene Unternehmenskommunikation, die ebenfalls Bezüge zur geplanten Transaktion aufweisen könnte und damit prüfungsbedürftig ist.

Communication Guidelines sollten möglichst früh in der Transaktion erstellt und an die für das IPO gebildete Arbeitsgruppe versendet werden, was gleichzeitig auch den Beginn der Wirksamkeit der in ihnen enthaltenen Empfehlungen bedeutet.

Typischer Zeitpunkt für den Versand ist die Phase unmittelbar nach dem Kick-off-Meeting, wenn die Beteiligten der Transaktion und die grundsätzliche Struktur feststehen sowie beispielsweise geklärt ist, ob auch eine Privatplatzierung in den USA durchgeführt werden soll.

Es ist ratsam, die Inhalte der Communication Guidelines in einer Sitzung mit dem Emittenten detailliert vorzustellen oder den relevanten Personen beim Emittenten in Schulungen zu erläutern. Nur durch derartige begleitende Maßnahmen kann vor allem in Großunternehmen mit vielen in die Unternehmenskommunikation eingebundenen Stellen eine zuverlässige Anwendung der Regeln und Empfehlungen gewährleistet werden.

Aufbau und Inhalte

Communication Guidelines sind meist wie folgt aufgebaut:

  • Einführender Teil zu Zweck, Adressatenkreis, sachlichem und zeitlichem Anwendungsbereich
  • Beschreibung der relevanten rechtlichen Hintergründe, aufgrund derer sich Beschränkungen in der Kommunikation im Zusammenhang mit IPOs ergeben
  • Auflistung von Empfehlungen für bestimmte Kommunikationssituationen, beispielsweise Werbekampagnen, Internet-Inhalte, Verhalten gegenüber Journalisten
  • Anhang mit Mustertexten für rechtliche Hinweise (Disclaimer), mit denen bestimmte Kommunikation im Einzelfall zu versehen ist.

Im deutschen Markt wird den Communication Guidelines typischerweise das deutsche, englische und US-amerikanische Recht zugrunde gelegt. Dies hat seinen Hintergrund in der typischen Angebotsstruktur von IPOs, die i. d. R. ein öffentliches Angebot von Aktien in Deutschland und Privatplatzierungen bei institutionellen Investoren innerhalb Europas sowie ggf. in den USA vorsehen. Hierfür spielen neben dem deutschen auch das englische und das US-amerikanische Recht aufgrund ihrer weiten Anwendungsbereiche eine wichtige Rolle. Beispielsweise könnte sich selbst eine auf Europa beschränkte Ansprache von Investoren auch an gesetzlich definierte „U.S. Persons“ richten und damit die Anwendbarkeit des US-amerikanischen Rechts begründen. Zu den maßgeblichen Rechtsgrundlagen zählen insbesondere das deutsche Wertpapierprospektgesetz, der Financial Services and Markets Act 2000 und der U.S. Securities Act von 1933. Gegebenenfalls sind rechtliche Vorschriften aus weiteren Ländern zu erläutern, etwa wenn die Transaktion ein zusätzliches öffentliches Angebot von Aktien in einem weiteren Land vorsieht.

Die erfassten Kommunikationsformen sind weit auszulegen und umfassen jede Art von Informationsweitergabe.
Unter „relevanter Information“ als der zentrale, weit definierte Begriff wird diejenige Kommunikation verstanden, die im Zusammenhang mit dem Angebot steht oder sich auf dieses bezieht (Beispiel: Werbeanzeige in der Zeitung über das bevorstehende IPO), Auswirkungen auf die Beurteilung des Emittenten oder die Entscheidung der Investoren haben kann (Beispiel: Veröffentlichung von Finanzinformationen oder Prognoseangaben im Vorfeld des IPOs) oder die Wirkung haben könnte, den Markt für die Aktien zu beeinflussen oder das Interesse am Angebot zu fördern (Beispiel: Journalisteninterviews im Zusammenhang mit dem IPO).
Wesentliche inhaltliche Themenkreise in den Empfehlungen sind die folgenden Beispielsszenarien, für die jeweils detaillierte Handlungsanweisungen gegeben und einzelne Beschränkungen auferlegt werden:

  • Presseanfragen und -anrufe
  • Gewinnprognosen und -schätzungen
  • Werbung
  • Pressemitteilungen
  • Kontakte mit Brokern, Banken und Analysten
  • Konferenzen und öffentliche Präsentationen
  • Interne Kommunikation innerhalb der Emittentengruppe
  • Internet-/Intranetinhalte und -links
  • Research Reports

Verfahren der Vorabprüfung

Grundsätzlich ist vorgesehen, dass der Emittent jede „relevante Information“ (siehe vorherige Seite) rechtzeitig im Voraus vorlegt. Hierzu bestimmt der Emittent eine „richtlinienverantwortliche Person“ im Unternehmen. Dies sind ein oder mehrere Mitarbeiter des Emittenten, die mit den Communication Guidelines vertraut und in die Unternehmenskommunikation eingebunden sind. Auch bei den emissionsbegleitenden Banken, deren Rechtsberatern, den Rechtsberatern des Emittenten und ggf. externen PR-/IR-Beratern werden zuständige Ansprechpartner benannt. Die Prüfung der Kommunikation erfolgt innerhalb dieser speziellen Arbeitsgruppe. Das Ergebnis kann sein, dass Entwürfe unproblematisch zur Veröffentlichung freigegeben werden oder sich zunächst eine Diskussion entwickelt, wonach ggf. Änderungen bestimmter für das IPO kritische Einzelaussagen erforderlich sind.

Kurzübersicht – was hat der Emittent insbesondere zu unterlassen?

  • Unrichtige, irreführende und unvollständige Äußerungen in jeglicher Form
  • Mündliche und schriftliche Kommunikationsinhalte, die nicht mit dem Inhalt des Wertpapierprospekts im Einklang stehen
  • Äußerungen, die – vor und neben der Veröffentlichung des Wertpapierprospekts – als öffentliches Verkaufsangebot oder als Marktbeeinflussung in Bezug auf die Aktien des Emittenten ausgelegt werden können
  • Bestimmte Formen von Finanz-, Marken- und Imagewerbung
  • Quantitative und bestimmte qualitative Zukunftsaussagen
  • Auf den englischen oder US-amerikanischen Kapitalmarkt abzielende Verkaufsbemühungen, einschließlich Nachrichtenbeiträgen in den einschlägigen Medien mit englischer oder USVerbreitung
  • Kontakte mit Brokern, Banken (außerhalb des Kreises der emissionsbegleitenden Banken) und Finanzanalysten mit Bezug zur geplanten Transaktion

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PDF: Communication Guidelines