4.2. Projektplan für ein IPO


Ein IPO ist ein zeitlich gestaffelter Prozess, der wie jedes Projekt gehandhabt werden kann. Logische Abfolgen sind teilweise vorgegeben. Dieser Ablauf lässt sich nach drei Phasen unterscheiden: Planungsphase, Vorbereitungsphase und Prozessphase. Im praktischen IPO-Fall werden sich einzelne Meilensteine des IPO-Ablaufs zeitlich überschneiden. Daher kommt der Koordinierung des Prozessablaufs eine besondere Bedeutung zu. Dies wird häufig, so zeigen empirische Studien, von einem Emissionsberater wahrgenommen. Soweit kein Emissionsberater in den IPO-Ablauf mit eingeschaltet ist, tritt die konsortialführende Bank als Koordinator auf. Das Management oder der Aufsichtsrat sind mit einer solchen Koordinierung meist überfordert.


IPO-Projektablauf

Die Zeitplanung für ein IPO ist abhängig von der individuellen Ausgangssituation des Unternehmens, den Zielsetzungen der Alteigentümer und dem Kapitalmarktumfeld. Im Normalfall ist für den IPO-Prozess ein Zeitraum von etwa sieben Monaten zu veranschlagen. In Abhängigkeit von der Börsenreife des Unternehmens und der Börsenattraktivität des Geschäftsmodells (Investment Case) kann diese Zeitplanung unterschritten oder deutlich überschritten werden.

Zur Illustration des IPO-Prozesses im Gesamtzusammenhang ist in der Abbildung eine indikative Zeit- und Aktionsplanung dargestellt.

Der IPO-Prozess lässt sich danach in drei Phasen einteilen.

Ausgangspunkt der Planungsphase ist die Grundsatzentscheidung der Eigentümer über den Börsengang. Die Entscheidungsvorbereitung unter den Eigentümern kann im Vorfeld des eigentlichen IPO-Prozesses einen nicht unbeachtlichen Zeitraum in Anspruch nehmen. Die Grundsatzentscheidung für den Börsengang sollte zielstrebig umgesetzt werden.

Die Gesamtverantwortung für das IPO-Management kann an einen erfahrenen unabhängigen Emissionsberater
übertragen werden. Dies wird die Erfolgschancen des IPOs erheblich steigern. Da der Börsengang ein einmaliges Ereignis darstellt, macht es aus Sicht des Unternehmens keinen Sinn, hierfür eigenes Know-how aufzubauen.

In der Planungsphase sind zwei wesentliche Arbeitsbereiche zu unterscheiden: die Prüfung der Kapitalmarktfähigkeit des Unternehmens und die Erstellung des Emissionskonzeptes.

Die Vorbereitungsphase des IPO-Prozesses umfasst drei wesentliche Arbeitsbereiche:

  • Die Erstellung der Zeitplanung sowie die Auswahl und Mandatierung des Investor Relations-Beraters
  • Die Herstellung der Börsenfähigkeit des Rechnungswesens und der Rechtsform
  • Die Vorbereitung und die Durchführung des Beauty Contests der Banken

Wichtige Bestandteile dieser Phase sind die Erarbeitung eines detaillierten Zeitplans für das IPO sowie die frühzeitige Auswahl und Mandatierung des Investor-Relations-Beraters.

Sofern ein Listing im Prime Standard angestrebt wird, erfordert die Börsenfähigkeit des Unternehmens die Umstellung der Rechnungslegung auf die IFRS. Je nach Größe des Unternehmens und der Anzahl der Tochtergesellschaften im In- und Ausland kann der Umstellungsprozess einige Monate in Anspruch nehmen. In der Regel führen nicht börsennotierte Unternehmen ihr Rechnungswesen nicht nach einem internationalen Standard.

Wenn das IPO mehr als neun Monate nach Ende des letzten Geschäftsjahres erfolgen soll, ist für die Zeitplanung des IPOs zu berücksichtigen, dass in diesem Fall ein Zwischenabschluss in den Börsenzulassungsprospekt aufgenommen werden muss, der mindestens die ersten sechs Monate des laufenden Geschäftsjahres umfasst.

Die Auswahl der Emissionsbank ist innerhalb des IPO-Prozesses mit Blick auf die Emissionskosten sowie auf die Platzierungskraft des Instituts ein zentraler Punkt.

Die Alteigentümer des Unternehmens neigen häufig dazu, die Emissionsbank auszuwählen, die im Rahmen des sogenannten Beauty Contest den höchsten Börsenwert in Aussicht stellt. Damit im Laufe des Emissionsprozesses in Bezug auf diesen für die Alteigentümer nicht unbedeutenden Aspekt keine Überraschungen auftreten, sollte im Vorfeld des Beauty Contest der Banken eine erste Bewertungsindikation in Auftrag gegeben werden, um die Angebote der Banken richtig einschätzen zu können.

Zur Vorbereitung auf den Beauty Contest erhalten die Banken ein Factbook, das alle wesentlichen Informationen zum Unternehmen, die relevanten Märkte, die Wettbewerbsposition und eine Unternehmensplanung enthält.

Die Prozessphase des IPO-Prozesses unterteilt sich in fünf Arbeitsbereiche:

  • Due Diligence
  • Prospekterstellung und -billigung
  • Research & Pre-Marketing
  • Marketing und Preisfestsetzung
  • Börsenzulassungsverfahren

Im Mittelpunkt der Financial Due Diligence steht die Überprüfung der Plausibilität, der Glaubwürdigkeit und die Erfüllbarkeit der Unternehmensplanung sowie der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells.

Gegenstand der Legal Due Diligence ist die Prüfung des rechtlichen Umfeldes des Unternehmens und die Offenlegung der rechtlichen Verhältnisse im Börsenzulassungsprospekt.

Der vom Emittenten zu erstellende Börsenzulassungsprospekt dient in erster Linie potenziellen Anlegern als Geschäftsgrundlage für eine Investitionsentscheidung. Die in den Börsenzulassungsprospekt aufzunehmenden
Mindestangaben sind in der EG-Verordnung Nr. 809/2004 detailliert geregelt. Aufgrund von Haftungsrisiken sind im Prospekt zukunftsgerichtete Informationen nicht enthalten.

Um frühzeitig die Attraktivität des Geschäftsmodells am Kapitalmarkt einschätzen zu können, findet seit 2004 – vor der öffentlichen Ankündigung des IPOs – das sogenannte Pilot Fishing (Pre-Pre-Marketing) statt. Der Investment Case wird einzelnen Investoren kurz vorgestellt, um ein realistisches Bild der Marktmeinung zu erhalten. Hierdurch kann das Risiko der Absage des Börsengangs reduziert werden. Das Pilot Fishing findet zeitlich vor der Analystenpräsentation statt.

Nach der Erstellung und Versendung der Research Reports erfolgt mit dem Investor Education das Pre-Marketing. Das IPO des Unternehmens ist zu diesem Zeitpunkt der Öffentlichkeit bekannt gemacht worden. Research-Analysten erklären Investoren das Geschäftsmodell und die Equity Story mit dem Ziel, Feedback zum Investment Case und zur Bewertung zu erhalten.

Im Anschluss an das Pre-Marketing präsentiert sich der Vorstand des Unternehmens dem Markt bzw. Kerninvestoren in einer Roadshow, um darzulegen, dass das Geschäftsmodell nicht nur auf dem Papier überzeugend ist.

Auf der Basis der mit den Investoren geführten Gespräche sowie der damit verbundenen Einschätzung des erwarteten Nachfrageverhaltens wird eine Bookbuilding-Spanne festgelegt. Diese Preisspanne ist die Basis für die Entgegennahme von Zeichnungsaufträgen. Die Zuteilung erfolgt zu einem marktkonformen Platzierungspreis, der aus Angebot und Nachfrage ermittelt wurde.

Unabhängig vom Börsensegment ist für die Börseneinführung und die angestrebte Notierungsaufnahme der Aktien deren Zulassung zum Börsenhandel erforderlich. Voraussetzung hierfür ist ein schriftlicher Zulassungsantrag, der zusammen mit einem von der BaFin gebilligten Verkaufsprospekt (Prime Standard) bei der Geschäftsführung der Frankfurter Wertpapierbörse eingereicht werden muss. Der Zulassungsantrag, der Zulassungsbeschluss und der gebilligte Verkaufsprospekt sind der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Den Abschluss des Börseneinführungsprozesses bildet die Notierungsaufnahme. Von diesem Zeitpunkt an wird von dem Unternehmen eine aktive und regelmäßige Kapitalmarktkommunikation gefordert.










Autor: Prof. Dr. Rüdiger von Rosen
PDF: Projektplan für ein IPO