4.38. Online Investor Relations

Das Medium Internet bietet eine ideale Plattform, um mit den aktuellen und potenziellen Investoren eines IPO-Unternehmens zu kommunizieren. Allerdings sind die Inhalte einer IR-Website nicht vergleichbar mit einer klassischen Unternehmens-Webseite. Ein IPO erfordert daher eine umfangreiche Neugestaltung. Diese Neugestaltung kann nur von Fachleuten vorgenommen werden und setzt darüber hinaus auch eine ständige Aktualisierung der relevanten Informationen voraus. Online Investor Relations ist ein Muss für jedes IPO.

Kommunikation mit Investoren über das Internet

Das Internet spielt eine zentrale Rolle in der Kommunikation mit Investoren. An erster Stelle steht hier die gleichzeitige, weltweite Informationsverbreitung und damit verbunden für Analysten, Anleger und Journalisten das schnelle Auffinden von Informationen. Die große Herausforderung für Emittenten liegt in der übersichtlichen und internetgerechten Darstellung einer Fülle an Unternehmensdaten, bei der die Möglichkeiten des Online-Mediums ausgeschöpft werden.

Als Ausgangspunkt dient die Webseite des Emittenten. Im Bereich Investor Relations sollen alle relevanten Unternehmensinformationen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Online-Tools, welche die Interaktion mit den Zielgruppen Analysten, Finanzprofis, Journalisten, Privatanlegern und Mitarbeitern optimieren.

Übersicht Kommunikationslösungen Online Investor Relations

  • Video-Webcast
  • Online-Finanzberichte
  • Online-Hauptversammlung
  • Investorenchat
  • Kontrolle über externe Informationsverbreitung im Internet
  • Online Marketing Tools

Investor Relations-Webseite

Die Internetseite des Emittenten dient als zentrale Informationsplattform für alle Zielgruppen. Der Bereich Investor Relations sollte bereits auf der Startseite gut ersichtlich sein und sich in die Menüstruktur des gesamten Online-Auftritts einfügen. Gerade Unternehmen, die sich als Markenartikler im Bereich B2C bewegen oder Produkte vorrangig über die eigene Internetseite vermarkten, haben mit dieser Darstellungsweise häufig Probleme. Der Bereich Investor Relations ist kaum auffindbar oder wird hilfsweise über eine eigene Domain der Endung .ag oder mit den Begriffen „-group“ oder „-konzern“ mit Bindestrich angehängt an den Unternehmensnamen dargestellt. Diese Vorgehensweise dient keineswegs der schnellen Auffindbarkeit von Informationen und verwirrt die Anleger. Dennoch ist dies immer noch sehr häufig vorzufinden und vornehmlich auf Marketing- und Kommunikationsabteilungen zurückzuführen, die eine Börsennotierung des Unternehmens
nicht in den ganzheitlichen Marketing- und Verkaufsansatz integrieren.

Grundsätzlich sollte eine gute Investor-Relations-Webseite in deutscher und englischer Sprache verfügbar sein. Zusätzliche Sprachen sind nicht unbedingt erforderlich, können aber je nach Unternehmenssituation
sinnvoll sein. Liegt der Absatzmarkt für einzelne Produkte überwiegend in einem Land, in dem die deutsche und englische Sprache weniger stark verbreitet sind, so ist eine zusätzliche Sprache durchaus in Betracht zu ziehen. Gleiches gilt, wenn sich der Investorenkreis überwiegend in einem derartigen Land befindet. Vielfach ist es allerdings ausreichend, wenn der Geschäftsbericht dann in einer zusätzlichen Sprache erscheint. So kann man den Mehraufwand für die komplette Investor-Relations-Seite minimieren. Deutsche Autohersteller
beispielsweise publizieren auch Geschäftsberichte in chinesischer Sprache.

Struktur der IR-Webseite

Eine gelungene IR-Webseite zeichnet sich durch eine klare und übersichtliche Menüstruktur aus. Bei der Erstellung arbeitet man am besten mit Online-Experten zusammen, zumal im Laufe des IPO-Prozesses erfahrungsgemäß wenig Zeit für Online-Themen bleibt. Folgende Haupt-Navigationspunkte haben sich in der Online-Kommunikation bewährt:

  • Startseite Investor Relations
  • Börsengang
  • Aktie
  • Finanznachrichten
  • Finanzkennzahlen
  • Finanzkalender
  • Publikationen
  • Hauptversammlung
  • Corporate Governance
  • IR-Services

IR-Webseite während des Börsenganges

Während des Börsengangs sind einige rechtliche Regelungen zu befolgen, die auch die Veröffentlichungen auf der IR-Webseite betreffen. Diese sind mit einem Rechtsbeistand abzuklären. Zu beachten ist auch die zeitliche Abfolge der Veröffentlichungen auf der IR-Webseite. In der Regel wird nach der offiziellen Mitteilung des Emittenten, dass er einen Börsengang anstrebt, der erste Teil der IR-Webseite online gestellt (Menüpunkt Börsengang). Alle weiteren Menüpunkte sind zu diesem Zeitpunkt nicht online, sondern werden erst am Tag des ersten Handelstages frei geschaltet. Eine Ausnahme bilden hier Ad-hoc-Mitteilungen, die bereits ab Antragstellung bei der Deutschen Börse zugänglich sein müssen sowie Directors´ Dealings ab der Veröffentlichung des geplanten Börsengangs.

Bevor der Internetnutzer die Informationen im Bereich Börsengang aufrufen kann, ist es aus rechtlichen Gründen ratsam, einen Disclaimer vorzuschalten. Diesen müssen die Besucher der Webseite – sofern es sich gemäß Wertpapierhandelsgesetz um ein öffentliches Angebot in Deutschland handelt – akzeptieren. Anleger werden darauf hingewiesen, dass alleine der Wertpapierverkaufsprospekt maßgeblich ist. Zudem bestätigt der Nutzer, dass sich sein Hauptwohnsitz in Deutschland befindet und dass er Informationen nicht in andere Länder, wie z. B. in die USA, weiterleitet. Eine Abfrage des Wohnortes mit Postleitzahl dient zur weiteren Absicherung des Emittenten. Zusätzlich werden die Inhalte bis zum Tag der Erstnotiz zumeist sicherheitshalber nur in deutscher Sprache veröffentlicht.

Zu den bereitgestellten Informationen im Bereich Börsengang gehören Ad-hoc-Mitteilungen und Presseinformationen zum IPO, der Wertpapierverkaufsprospekt und eventuelle Nachträge zum Prospekt. Ein freundlicher Einleitungstext lockert die stark rechtlich geprägte Seite auf. Zudem bietet sich eine Online-Kurzfassung des Prospektes an. Hier werden die Eckpfeiler des Angebotes übersichtlich zusammengefasst und der Zeitplan aufgeführt. Das schnelle Auffinden dieser Basisinformationen wird durch zusätzliche Sprungmarken gewährleistet.

Inhalte der IR-Webseite

Auf der Startseite im Bereich Investor Relations sollten bereits wichtige und aktuelle Informationen abgebildet sein. Auch ein Willkommensgruß an die Investorengemeinde trägt einem guten Erscheinungsbild Rechnung. Dies kann auch ein Zitat des Vorstands, verbunden mit einer Aussage zu den Zielen der Unternehmensführung im Bereich Investor Relations, sein. Empfehlenswert ist die Darstellung eines kurzen Firmenprofils und die Auflistung von Gründen, die für ein Investment in die Aktie sprechen, die sogenante Equity Story. Dies wird ergänzt um aktuelle Unternehmensmitteilungen (Ad-hoc-Mitteilungen und Corporate News), Finanztermine, die
letzten Publikationen wie Finanzberichte, Webcasts und Präsentationen sowie einem kleinen Kurschart und Serviceoptionen.

Im Menüpunkt Aktie sollten sich sämtliche Basisdaten zur Aktiennotierung finden lassen, also beispielsweise die WKN und ISIN, Börsenkürzel, Anzahl der Aktien, Datum der Erstnotiz, Börsensegment, Sitz der Gesellschaft etc. Die Aktionärsstruktur stellt eine weitere hilfreiche Information dar. Aktuelle Kursinformationen bildet man zusätzlich mit einem Aktienchart ab. Dieser sollte neben dem Emittentenkurs auch Vergleichsmöglichkeiten mit ausgewählten Indizies oder börsennotierten Wettbewerbern zulassen. Das Angebot eines umfänglichen Kurs- und Chartmoduls trägt auch zur Imagebildung bei und signalisiert die Bereitschaft zur Transparenz. Auch
Analystenschätzungen und Analystenstudien können unter diesem Menüpunkt publiziert werden.

Sämtliche Finanznachrichten und der Finanzkalender sind für den Online-Auftritt unverzichtbar. Ältere Unternehmensmitteilungen aus den Vorjahren werden nach Jahreszahlen sortiert im Online-Archiv abgelegt. Gerade bei Finanznachrichten und dem Finanzkalender bieten sich Möglichkeiten zur Interaktion mit den Informationssuchenden, die nur das Internet abbilden kann. Investoren können ihre E-Mail, Fax-Nummer oder Mobilfunknummer in den Unternehmensverteiler eintragen. Bei Veröffentlichung einer neuen Mitteilung erhält der registrierte Nutzer die Mitteilung auf dem gewünschten Weg zugestellt. Gleiches gilt für den Finanzkalender. Hier ist eine Erinnerungsfunktion an Finanztermine ein gelungener IR-Service. Zu beachten sind sämtliche Datenschutzrichtlinien und damit die Eintragungs- und Austragungsmöglichkeit mit dem Double-Optin- bzw. Double-Opt-out-Verfahren. Professionelle Dienstleister verknüpfen bereits den gesetzlich geregelten Versand von Ad-hoc-Mitteilungen und von allen anderen Unternehmensmitteilungen mit der IR-Webseite und dem automatischen Versand an die unternehmenseigenen Verteilerlisten. Dies führt zu einer maximalen Sicherheit beim Versandprozess und einem zeitlich unmittelbar aufeinander folgendem Aussand. Auch weitere gesetzliche Pflichten, wie die Weiterleitung von Unternehmensinformationen an die Frankfurter Wertpapierbörse im Rahmen des Exchange Reporting Systems (gilt verpflichtend für Finanzberichte und Finanztermine von börsennotierten Unternehmen im Prime Standard der Deutschen Börse) werden mit der IR-Webseite gekoppelt. Der IR-Manager reduziert manuelle Prozesse und eliminiert auf diese Weise potenzielle Fehlerquellen.

Im Bereich Publikationen erwartet der Investor sämtliche Geschäftsberichte, Zwischenberichte und Jahresabschlüsse (Einzel- und Konzernabschluss) sowie Präsentationen von Analystenveranstaltungen und Webcasts. Finanzkennzahlen werden praktischerweise nach Quartals- und Jahreszahlen unterteilt und auch eine Mehrjahresübersicht sorgt für Freude bei den Anlegern. Im Bereich Corporate Governance finden sich Informationen zur Satzung der Gesellschaft, zu den Organen sowie die Entsprechenserklärung nach dem Corporate Governance Kodex und dem Jährlichen Dokument. Abgerundet wird der IR-Bereich mit Kontaktinformationen zur IRAbteilung sowie Bestellfunktionen zur Anforderung weiterer Informationen oder Registrierformularen für Verteilerlisten.

Audio- und Video-Webcasts

Telefonkonferenzen mit gleichzeitiger Übertragung im Internet (Audio-Webcasts) und Video-Webcasts bieten die ideale Ergänzung zur Roadshow. Webcasts sind sehr schnell und mit wenig Zeitaufwand für das Management produzierbar und können so in kürzester Zeit im Internet zur Verfügung gestellt werden. Da es sich um eine Managementpräsentation handelt, erhalten die Finanzprofis auf diese Weise die Informationen direkt vom Management des Unternehmens – also aus erster Hand. Sie werden somit fast persönlich über die jüngsten Entwicklungen im Unternehmen informiert – und das zeitnah. Durch die simultane Darstellung von Präsentationsfolien kann der Vortrag noch verständlicher gestaltet werden. Abgesehen davon bietet das Internet den entscheidenden Vorteil der zeitlichen und örtlichen Unabhängigkeit. Webcasts werden im Online-Archiv auf der Internet-Seite des Emittenten bereitgestellt und sind damit nachhaltig verfügbar.

Während des Börsengangs können auf diese Weise auch einzelne Investoren, die aus Zeitgründen nicht persönlich besucht werden, individuell mit dem Management kommunizieren. Der Zugriff ist nur autorisierten Benutzern mit Passwortschutz möglich.

Als hilfreiches Tool zur allgemeinen Einladung von Analysten und Investoren zu Konferenzen haben sich Online-Services etabliert, mit denen Emittenten diese Zielgruppe direkt ansprechen können. In der bereitgestellten Datenbank ist nahezu jeder Kontakt der Financial Community enthalten. Der Einladungsprozess läuft ausschließlich elektronisch ab. Der aktuelle Stand der angemeldeten Teilnehmer ist jederzeit abrufbar.

Online-Finanzberichte

Die Bereitstellung von Finanzberichten als PDFDokument im Internet ist eine Selbstverständlichkeit. Mittlerweile hat sich aber auch die Darstellung von Online-Finanzberichten als Standard etabliert. Das Medium Internet bietet zahlreiche Vorteile, die ein Print-Geschäftsbericht nicht bietet: Dazu gehört das schnelle Auffinden von Informationen, die Verknüpfung von Zusatzinformationen mit Inhalten des Finanzberichts und nützliche Online-Tools, wie Kennzahlenvergleiche, Navigationshilfen und Sortierfunktionen, die dem Nutzer erlauben, nur die Informationen angezeigt zu bekommen, für die er sich im Moment interessiert.

Online-Nachhaltigkeitsbericht

Da immer mehr institutionelle Anleger großen Wert auf Nachhaltigkeit legen, sind bereits die meisten großen Unternehmen dazu übergegangen, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen und auf der Webseite zu publizieren. Hier bietet sich die Online-Umsetzung schon aus Umweltgesichtspunkten an.

Kontrolle über externe Informationsverbreitung im Internet

Sobald der Börsengang erfolgreich abgeschlossen wurde, beginnt ein Prozess, der dem Kampf gegen Windmühlen gleicht. Die Kontrolle und Berichtigung von nicht aktuellen oder nicht korrekten Unternehmensdaten im Internet. Die zahlreichen Online-Portale und Informationsplattformen im Auge zu behalten ist sehr zeitaufwändig – die Korrektur von Unternehmensinformationen auf derlei Plattformen nicht immer gewährleistet. Auch hier gibt es einen Service, der die zeitgleiche Informationsverbreitung auf einem Großteil der deutschen Finanzwebseiten sicherstellt und sich für börsennotierte Unternehmen als große Hilfe erwiesen hat.

Online Marketing Tools

Mit Online Marketing Tools werden vor allem Privatanleger angesprochen. Der Emittent generiert Aufmerksamkeit für sein Unternehmen und seine Aktie. Während der Platzierungsphase wird aktiv für eine Zeichnung geworben. Nach der Notierungsaufnahme ist die Bewerbung von Corporate Events aussichtsreicher als Imagewerbung. Hierzu zählt die Bekanntgabe von Finanzzahlen, die Veröffentlichung neuer Researchstudien oder zusätzliche Hinweise auf Unternehmensmitteilungen wie Prognoseerhöhungen, Übernahmen, Aktienrückkaufprogramme etc. Neben der klassischen Bannerwerbung auf Finanzportalen erhöhen vor allem Aussendungen via E-Mail-Newsletter, Textlinks und spezielle Targeting-Kampagnen die Aufmerksamkeit. Letztere richten sich an eine exakt definierte Zielgruppe. So werden auf Finanzportalen bestimmte Werbeformen nur dann angezeigt, wenn der Nutzer der Webseite nach Kursen bestimmter Unternehmen oder bestimmter Sektoren sucht. Ein Automobilzulieferer könnte also eine Targeting-Kampagne buchen, die nur dann erscheint, wenn Aktien von Automobilherstellern aufgerufen werden. Durch intelligente Anzeigentexte wird so eine branchen- oder unternehmensaffine Zielgruppe angesprochen.


Autor: Robert Wirth
PDF: Online Investor Relations