1.1. Anzahl der IPOs

Die Zahl der Börsengänge ist langfristig ein Indikator für den Stand der Aktien-  sowie Kapitalmarktakzeptanz und kurzfristig für das Kapitalmarktklima eines Landes. Auch wenn letztlich die individuellen Charakteristika des Unternehmens entscheidend sind, erleichtert eine generell gute Aufnahmefähigkeit des Kapitalmarktes den Gang an die Börse. Bei einem schlechten Kapitalmarktklima sind Börsengänge zwar nicht unmöglich; es bedarf jedoch einer größeren Überzeugungsleistung und nicht selten auch eines Abschlages auf den Emissionspreis, um eine Platzierung durchführen zu können.

Schwankende Kapitalmarktaktivität über die letzten 20 Jahre

Die Emissionstätigkeit ist nicht konstant. Phasen mit vielen Börsengängen wechseln sich mit eher schlechteren Zeiten für den Börsengang ab.

Das Volumen der Neuemissionen (einschließlich Kapitalerhöhungen) in Deutschland zeigt eine ähnliche Entwicklung wie die Zahl der Börsengänge. Herausragendes Börsenereignis in der deutschen Nachkriegsgeschichte war die Telekom-Neuemission im Jahr 1996 mit einer Größenordnung von umgerechnet nahezu 10 Mrd. Euro, die 80 % des gesamten Emissionsvolumens dieses Jahres ausmachten. Danach stiegen die Zahl der Börsengänge sowie das dadurch mobilisierte Kapital deutlich an, um mit dem Platzen der Blase an den Aktienmärkten drastisch zu sinken. Zwischen 2005 und 2007 ist aber eine deutliche Erholung eingetreten.

Insbesondere ab Mitte der 1990er Jahre schwankt die Emissionsaktivität stark. Der Boom in den Jahren 1998 bis 2000 als auch die jüngere Erholung hängen zum einen mit einem deutlichen Kursanstieg zusammen, der jeweils das Emissionsklima günstig beeinflusst hat; zum anderen sind die hohen Aktivitätsniveaus mit der Schaffung besonderer Marktsegmente in Deutschland zu erklären:

  • Der Neue Markt richtete sich von 1997 bis zu seiner Schließung 2003 vor allem an junge Technologieunternehmen der sog. „New Economy“, die in dieser Zeit weltweit verstärkt die Börse als Finanzierungsquelle nutzten. 292 von 462 Börsengängen in dieser Zeit entfielen auf den Neuen Markt. Auch vergleichsweise hohe Regulierungsstandards konnten jedoch die übertriebene Euphorie bei allen Kapitalmarktteilnehmern und den anschließenden drastischen Kurssturz nicht verhindern.
  • Seit 2005 wird durch besondere Segmente im privatrechtlich regulierten Freiverkehr versucht, attraktive Börsenbedingungen für kleine, junge und/ oder mittelständische Unternehmen zu schaffen. Die beiden bekanntesten Segmente sind der Entry Standard an der Frankfurter Wertpapierbörse und der M:access an der Börse München. Beide weisen im Vergleich zum öffentlich-rechtlich regulierten Markt ein geringeres Regulierungsniveau auf.

Steigende Zahl an Notierungsaufnahmen, vor allem im Freiverkehr und seinen Segmenten

Vor allem im Freiverkehr bzw. seinen besonderen Segmenten sind auch sog. Notierungsaufnahmen möglich und üblich. Im Unterschied zu einem IPO werden hierbei lediglich die Aktien des Unternehmens zum Handel an einer Börse zugelassen, um Investoren anzusprechen. Dies ist im Freiverkehr kostengünstig ohne einen Wertpapierprospekt möglich. Nachteil ist aber, dass bei einer Notierungsaufnahme neues Kapital für Wachstumszwecke nicht oder nur in sehr geringem Umfang über einer vorherige Privatplatzierung aufgenommen werden kann. Eine Notierungsaufnahme bietet sich daher in erster Linie als Zwischenschritt für eine spätere Kapitalerhöhung an.

Freiverkehr versus regulierter Markt

Weit über 200 der insgesamt gut 300 Börsengänge deutscher Unternehmen zwischen 2005 und 2007 entfielen auf den Freiverkehr und seine Segmente. Als Kapitalquelle spielt der Freiverkehr hingegen eine weitaus geringere Rolle. Im regulierten Markt und seinen Segmenten (z. B. Prime und General Standard) war das Emissionsvolumen im gleichen Zeitraum mit knapp 17 Mrd. Euro in etwa 20 Mal so hoch wie im Freiverkehr. Damit spiegeln die Statistiken die unterschiedlichen Zielsetzungen und Möglichkeiten der beiden Marktbereiche wider.


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1.2. Marktkapitalisierung

Der aktuelle Gesamtwert eines börsennotierten Unternehmens ergibt sich aus der Anzahl der notierten Aktien multipliziert mit dem aktuellen Börsenpreis der Aktien. Diese Größe wird auch als Marktkapitalisierung bezeichnet. Die Marktkapitalisierung kann auch auf alle börsennotierten Unternehmen eines Landes oder einer Börse bezogen werden und dient dann häufig als Maßzahl für den Entwicklungsstand der Eigenkapitalmärkte in einer Volkswirtschaft.

Der deutsche Eigenkapitalmarkt gehört mit einer Marktkapitalisierung inländischer Unternehmen in Höhe von 2.100 Mrd. US-Dollar zu den größten der Welt. Allerdings besteht noch ein erhebliches Aufholpotenzial zu anderen Nationen.

Deutlich wird dies insbesondere, wenn man die Größe des Eigenkapitalmarktes in Bezug zu der Größe der Volkswirtschaft setzt. Die Marktkapitalisierung in Prozent des Bruttoinlandsproduktes bleibt deutlich hinter anderen Volkswirtschaften zurück. Dies erklärt sich unter anderem aus der deutschen Finanzierungstradition, bei der die Unternehmen lange Zeit fast ausschließlich auf den Bankkredit als Finanzierungsquelle zurückgriffen.

Dies hat sich in den letzten Jahren jedoch deutlich gewandelt, so dass Deutschland im Hinblick auf die verfügbaren Finanzierungsinstrumente, die Einstellungen der beteiligten Akteure und die rechtlichen Rahmenbedingungen immer kapitalmarktnäher wird.


Autor: Prof. Dr. Rüdiger von Rosen
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1.3. Private-Equity-Finanzierte IPOs (Gesamtwirtschaftlich)

Banken, andere Intermediäre und organisierte Märkte für Eigenkapital ergänzen sich bei der Vorsorgung der Unternehmen mit Kapital. In den letzten Jahren treten dabei als Kapitalgeber vermehrt Unternehmen der Private-Equity-Branche auf. Unter Private Equity versteht man alle Formen der Eigenkapitalbeteiligung außerhalb der Börse, weshalb auch vom außerbörslichen Beteiligungsmarkt gesprochen wird.

Was ist Private Equity?

Auch wenn sehr unterschiedliche, z. T. auch im öffentlichen Besitz stehende Unternehmen das Beteiligungsgeschäft betreiben, sind in erster Linie unabhängige Gesellschaften gemeint, wenn in der Öffentlichkeit über Private Equity debattiert wird. Diese stammen fast alle aus den USA und Großbritannien und sind in jüngster Vergangenheit zunehmend auch in Deutschland aktiv.

Besonderheiten von Private Equity

Außerbörsliche Beteiligungen weisen im Vergleich zu einer börslichen Beteiligung vier Besonderheiten auf, auf die sich kapitalsuchende Unternehmen einstellen müssen.

  1. Die Beteiligungen sind nur auf Zeit angelegt – zumeist auf drei bis sieben Jahre.
  2. Private Equity-Investoren zielen in der Regel auf die Partizipation am mittelfristigen Wertzuwachs des finanzierten Unternehmens. Sie verfolgen dabei in erster Linie finanzielle Ziele, was sie von strategisch orientierten Investoren aus dem erweiterten Kreis der Wettbewerber unterscheidet.
  3. Die Beteiligungsgesellschaften stellen nicht nur Risikokapital zur Verfügung. Sie sind auch in der Lage, das Management der Portfoliounternehmen bei der Erfüllung der Renditeziele zu unterstützen und greifen – sofern erforderlich – in die strategische Ausrichtung des Unternehmens ein. Das unterscheidet sie von traditionellen institutionellen Investoren wie beispielsweise Investmentfonds.
  4. Zum Geschäftsmodell gehört auch der Ausstieg aus der Finanzierung (Exit), der entweder sukzessive oder auf einmal erfolgen kann. Realisierte Erträge fließen – nach Abzug entsprechender Gebühren und Provisionen – dann an die Geldgeber zurück.

Arbeitsteilung zwischen Public Equity und Private Equity

Nach der traditionellen Sichtweise zum Zusammenspiel der verschiedenen Finanzierungsmuster passt sich die Form der Finanzierung des Unternehmens an den Lebenszyklus des Unternehmens bzw. seiner Produkte an. Insbesondere in den frühen Phasen spielt Private Equity eine entscheidende Rolle.

  • Venture Capital ist zuständig für die Frühphasenfinanzierung (Early Stage), bei der es um die Finanzierung eines unternehmerischen Konzepts (Seed), die Gründung des Unternehmens (Start-up) und gegebenenfalls noch die Markteinführung des ersten Produktes geht (First Stage).
  • Danach müssen entwickelte Produkte erfolgreich am Markt platziert und gegebenenfalls eine erste Expansion des Unternehmens finanziert sowie betriebswirtschaftlich-organisatorisch begleitet werden (Later-Stage-Finanzierung). Auch in dieser zweiten Finanzierungsrunde gelten Private-Equity- Geber als zentrale Finanzierungspartner. Die Finanzierungsvolumina steigen aber in der Regel an.
  • Gegebenenfalls schließt sich an diese Phase eine weitere, noch großvolumigere Finanzierungsrunde an, bei der im Wege eines Management-Buy-out oder Management-Buy-in eine grundlegende strategische Neuausrichtung durchgesetzt, eine weitere Expansion des Unternehmens finanziert und etwaigen Alteigentümern der (Teil-)Ausstieg ermöglicht werden.
  • Der Börsengang hat im traditionellen Phasenkonzept typischerweise seinen Platz als einer der potenziellen Ausstiegskanäle für Private-Equity Geber der zweiten und dritten Runde (Divesting Stage). Dieser dient außerdem der Finanzierung sehr kostspieliger unternehmerischer Vorhaben reiferer Unternehmen, die von einzelnen Kapitalgebern auch der Private-Equity-Branche nicht mehr getragen werden können. Als andere Möglichkeit des Ausstiegs wird häufig der Verkauf an einen strategischen Investor genannt.

Aus der Lehrbuchperspektive ergibt sich also eine relativ klare Arbeitsteilung zwischen der Private- Equity-Branche und börslichen Beteiligungen, die in dieser Form in der Praxis nicht zu finden ist: Riskante und geringvolumige Engagements in jungen Unternehmen sind Domäne des Beteiligungsmarktes, weniger riskante und großvolumige Engagements in reifen Unternehmen mit weiterem Wachstumspotenzial das der Börse. Verzahnt sind die Teilsegmente über den Börsengang, ohne den die Beteiligungsindustrie des wichtigsten Exit-Kanals beraubt wäre und der wichtige „Nachschub“ an neuen Aktien für die Anleger fehlen würde. Tatsächlich stammte rund die Hälfte der Börsengänge im Zeitraum von 2002 bis Anfang 2007 im Prime und General Standard zumindest teilweise aus den Portfolios der Beteiligungsbranche.

Verschwimmende Grenzen

Allerdings verschwimmen die Grenzen zwischen Private Equity und der Börse (Public Equity) in der jüngeren Vergangenheit etwas, so dass die klare Abfolge nicht immer Bestand haben muss:

  • Börse und Private Equity konkurrieren um besonders attraktive Unternehmen. Daher werden heute der Börsengang und der Einstieg eines Private- Equity-Investors häufig parallel zueinander geprüft (Dual Tracks).
  • Private-Equity-Unternehmen übernehmen zum Teil auch börsennotierte Unternehmen, um diese jenseits der Börse strategisch neu auszurichten (Public-to-Private-Transaktionen).
  • Börsen haben spezielle Segmente geschaffen, um jungen oder kleineren Unternehmen einen direkten Weg an den Kapitalmarkt zu bieten. Beispiele sind der Entry Standard an der Frankfurter Wertpapierbörse und der M:access in München.

Autor: Prof. Dr. Rüdiger von Rosen
PDF: Private-Equity-Finanzierte IPOs (Gesamtwirtschaftlich)

1.4. Funktionsfähige Eigenkapitalmärkte (gesamtwirtschaftlich)

Funktionierende Märkte für Eigenkapital sind ein wichtiger Investitions- und Wachstumsmotor einer Volkswirtschaft. Sie sind vor allem dort unentbehrlich, wo es darum geht, echte Neuerungen – also die für das langfristige Wachstum einer Volkswirtschaft wichtigen Innovationen – hervorzubringen.

Gesamtwirtschaftliche Effekte: Wachstum und Kapitalmärkte in der ökonomischen Theorie

Der Zusammenhang zwischen effizienten Eigenkapitalmärkten sowie Wachstum und Wohlstand einer Volkswirtschaft wird durch eine Vielzahl ökonomischer Studien belegt. Erklären lässt sich dies im Wesentlichen über zwei Effekte:

  • Kapitalakkumulation: Eigenkapitalmärkte tragen dazu bei, den Kapitalstock einer Volkswirtschaft zu vergrößern. Sie ermöglichen, dass die Ersparnisse der privaten Haushalte in Investitionen der Unternehmen transformiert werden.
  • Innovation: Bei der Selektion und Unterstützung von Innovation haben Eigenkapitalmärkte im Vergleich zu einer ausschließlichen Kreditfinanzierung Vorteile, weil Investitionsprojekte dem Urteil vieler Investoren gleichzeitig offenbart werden müssen. Dies erleichtert den Zugang zu großen Kapitalsummen und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich überhaupt Investoren finden. Außerdem sorgt der Wettbewerb mit anderen Unternehmen dafür, dass zukunftsfähige Investitionsvorhaben tendenziell mit einer größeren Treffsicherheit selektiert werden.

Ökonomische Studien belegen auch, dass effiziente rechtliche Rahmenbedingungen Voraussetzung für funktionierende Kapitalmärkte sind. Diese müssen u. a. gewährleisten,

  • dass die grundlegenden marktwirtschaftlichen und rechtstaatlichen Prinzipien eingehalten werden, denn ohne die Vertragsfreiheit und private Eigentumsrechte sowie deren faire und unabhängige Durchsetzung können sich keine Kapitalmärkte mit anonymen Beziehungen entwickeln;
  • dass Investoren vor betrügerischem Verhalten geschützt werden, ohne dass den Unternehmen dadurch zu viel an Handlungsfreiheit am Kapitalmarkt genommen würde oder sie zu viel Bürokratie zu verkraften hätten.

Einzelwirtschaftliche Effekte: Stärkung der Unternehmen

Eine Studie unter den Neuemittenten der Jahre 2005 und 2006 belegt die positiven Auswirkungen des Börsengangs auf die Unternehmen und bestätigt insofern die Motive, die für das IPO angeführt werden.

Dazu gehören:

  • die Verbesserung der Eigenkapitalquote,
  • das gewachsene Verhandlungsgewicht gegenüber anderen Kapitalgebern,
  • den erhöhten Bekanntheitsgrad des Unternehmens und seiner Produkte,
  • die Stärkung der Wettbewerbsposition,
  • die Zunahme unternehmerischer Handlungsspielräume sowie
  • die Attraktivität als Vertragspartner.


Autor: Prof. Dr. Rüdiger von Rosen
PDF: Funktionsfähige Eigenkapitalmärkte (gesamtwirtschaftlich)

1.5. Vorteile eines IPOs

Unabhängig von den konkreten Motiven für einen Börsengang bietet der Gang an den Eigenkapitalmarkt eine Vielzahl von Vorteilen gegenüber alternativen Finanzierungsformen. Im praktischen Fall werden zumeist ein oder zwei Vorteilskategorien ein IPO maßgeblich beeinflussen. Die weiteren Vorteile werden dann von Fall zu Fall hervorgehoben. Der Vielzahl von Vorteilen stehen sowohl aus Unternehmenssicht als auch aus der Perspektive der (Alt-)Gesellschafter eine Reihe möglicher Restriktionen gegenüber.

Zugang zu externen Kapitalquellen wird i. d. R . durch ein IPO erstmals möglich

Der Börsengang führt dem Unternehmen externes Eigenkapital zu, das unbefristet zur Verfügung steht und in einem Volumen zugänglich gemacht wird, wie es i. d. R. weder durch die Innenfinanzierungskraft noch durch weiteres Kapital aus dem (bisherigen) Eignerkreis darstellbar ist. Damit können langfristige finanzstrategische Ziele realisiert werden, die mit Hilfe alternativer Finanzierungsformen nicht oder nur schwer umsetzbar wären. Die aktive Steuerung der Kapitalstruktur, insb. eine Verbesserung der Eigenkapitalrelationen, wird erleichtert. Ist der Zugang zum Kapitalmarkt einmal etabliert, ermöglicht dies die wiederkehrende und verbesserte Aufnahme externen Eigen- und Fremdkapitals. Das gilt einerseits für die Erweiterung auf kapitalmarktgängige Finanzierungsformen, z. B. Wandel- oder Optionsanleihe, andererseits für die Ausweitung auf internationale Kapitalmärkte. Bei entsprechend positiver Unternehmensentwicklung kann letztlich auch das Kapitalmarkt-Standing erhöht und langfristig die Finanzierungskonditionen verbessert werden.

Ein IPO steigert die Bekanntheit und Reputation des Unternehmens enorm

Die nachhaltige Erhöhung des Bekanntheitsgrades über einen publizitätswirksamen Börsengang ist als ein weiterer gewichtiger Vorteil zu werten. Der Emittent kann Kunden, Geschäftspartner und Mitarbeiter auf neuen Wegen erreichen. Über die Aktie steht ein neues Instrument zur Markenbildung und Produktwerbung zur Verfügung. Die verbesserte Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung erhöht zudem die Bonität und führt gleichfalls zu einer weiteren Steigerung der Reputation. Insbesondere im angelsächsischen Ausland gilt eine Börsennotierung als ein zusätzliches Gütesiegel und kann so die Beziehungen zu Kunden und Lieferanten gleichermaßen positiv beeinflussen.

Ein IPO schafft eine eigene Akquisitionswährung

Ebenfalls bietet eine Börsennotierung die Möglichkeit, die unterschiedlichen Instrumente und Strukturen für (internationale) Akquisitionen zu nutzen. Neben den durch ein IPO erlösten Finanzmitteln bieten sich in Form eines Aktientausches oder einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage flexible Instrumente, Unternehmensbeteiligungen zu realisieren. Durch die tägliche Kursfeststellung ist ein objektiver Wertmaßstab gegeben und über die Fungibilität der Anteile kann eine Akquisition auch aus Verkäufersicht deutlich an Attraktivität gewinnen.

Ein IPO eröffnet durch Mitarbeiterbeteiligung ein völlig neues Motivationsinstrument

Über das Instrument der (Belegschafts-)Aktie oder derivativer Instrumente eröffnet eine Börsennotierung die Möglichkeit, Mitarbeiter und insbesondere das mittlere Management an der Unternehmensentwicklung zu beteiligen. Dies wird als zusätzliches Mittel der Mitarbeitermotivation gesehen, vor allem kann die Attraktivität als Arbeitgeber insbesondere für internationale Führungskräfte gesteigert werden.

Ein IPO ermöglicht einen objektiven Wertmaßstab für die Bewertung des Unternehmens

Eine Börsennotierung ermöglicht die freie Handelbarkeit der Anteile. Durch den Handel und die tägliche Preisfeststellung wird die Bewertung von Anteilen vereinfacht und deren Übertragbarkeit z. B. bei Erb-, Nachfolge- und Abfindungsregelungen für Altgesellschafter ermöglicht. Der Marktpreis ist dabei Abbild der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens und der Einschätzung der Investoren. Gleichermaßen setzt er die Aktie in Wettbewerb zu Vergleichsunternehmen und stellt so auch einen relativen Wertmaßstab dar.

Ein IPO kann die Unabhängigkeit gewährleisten

Gerade in einem dynamische Wettbewerbsumfeld kann der Gang an die Börse wesentlich zum Fortbestand des Unternehmens und zur Sicherung des unternehmerischen Freiraums beitragen. Die Stärkung der Eigenkapitalbasis ermöglicht bspw. Investitionen oder die internationale Expansion als eigenständiges Unternehmen, ohne ein auf Teilmärkte beschränktes Akquisitionsobjekt zu bleiben.

Trennung von Eigentum und Management sichert eine weisungsunabhängige Unternehmensführung

Die klare Trennung von Eigentümer- und Managementfunktion ist eines der wesentlichen Charakteristika der börsennotierten Gesellschaft. Die strikte und transparente Gremien- und Aufgabenverteilung sichert eine weisungsunabhängige Unternehmensführung. Zudem wird die Attraktivität für Fremdmanagement gesteigert und ermöglicht eine Verbreiterung der Führungsbasis.

Sicherung des Einfluss der Altgesellschafter trotz IPO

Eine angemessen breite Streuung der Aktien begrenzt durch die atomisierte Eigentümerstruktur die Mitsprachemöglichkeiten. Dadurch kann auch bei reduziertem Anteilsbesitz der Altgesellschafter durch eine Hauptversammlungsmehrheit deren Einfluss geltend gemacht werden.

Flexible Vermögensdisposition durch Fungibilität der Aktien

Eine Börsennotierung macht die Gesellschaftsanteile handelbar (fungibel). Damit kann für den einzelnen Gesellschafter im Zuge des IPOs zunächst eine Teilrealisierung des unternehmerischen Risikos erfolgen. Zudem kann das Vermögen auch schrittweise über die Abgabe von Anteilen auf die jeweiligen Bedürfnisse des Gesellschafters zugeschnitten werden. Grundsätzlich frei von Stimmbindung und – gerade in Familienunternehmen häufig vorzufindenden Veräußerungsbeschränkungen – kann jeder Aktionär eigenständig über sein zukünftiges Engagement in der Aktiengesellschaft entscheiden und jederzeit Anteile über die Börse zu einem objektiv ermittelten Preis verkaufen. So können einzelne (Alt-)Eigentümer ihre unterschiedlichen Interessen im Hinblick auf ihre Vermögensdisposition umsetzen, ohne den Bestand des Unternehmens zu gefährden.


Autor: Christian Niederle
PDF: Vorteile eines IPOs

1.6. Restriktionen eines IPOs

Den Vorteilen eines IPOs stehen auch einige Restriktionen gegenüber, die die Vorteile stellenweise kompensieren können. Damit muss sich jeder Börsenkandidat auseinandersetzen. Erst nach einem Abwägen zwischen den Vorteilen und den möglichen Restriktionen lässt sich eine endgültige Entscheidung über das IPO treffen. Dieses Abwägen ist zwingend erforderlich, um nicht nach dem IPO festzustellen, dass z. B. die Konsequenzen der Transparenzerfordernisse, die Kosten und die Möglichkeit eines Machtverlustes so gar nicht gewollt waren. Denn nicht jedes Unternehmen, das den Weg an die Börse sucht, ist auf dem richtigen Pfad.

Transparenz der Vermögensverhältnisse ist für die Stakeholder gegeben

Die Vermögenswerte der Eigentümer werden für jedermann, also auch Kunden, Mitarbeiter und Geschäftspartner transparent. Solange die Eigentümer im Aufsichtsrat bzw. im Vorstand vertreten sind, ist aufgrund der gesetzlichen Publizitätserfordernisse ebenfalls ersichtlich, zu welchem Zeitpunkt sie in welchem Umfang Aktien erwerben oder veräußern.

Möglicher „Machtverlust“ durch Mitspracherechte der neuen Aktionäre und der Kontrollorgane

Ungewohnt ist gerade für die familien- und inhaber geführten Unternehmen die Einräumung umfangreicher gesetzlicher Mitspracherechte. Den Publikumsaktionären stehen eine Reihe von Entscheidungsund Auskunftsrechten zu, die im Wesentlichen im Rahmen der Hauptversammlung ausgeübt werden können. Gleichfalls stehen dem Aufsichtsrat Kontrollrechte zu, die laufend ausgeübt werden. Die Öffnung des Aktionärskreises durch ein IPO und die Einrichtung eines fremd besetzten Aufsichtsrates kann also tendenziell einen „Machtverlust“ für die Altgesellschafter bedeuten.

Steuerliche Belastung für die Altaktionäre kann sich erhöhen

Grundsätzlich können mit den strukturellen Änderungen der Gesellschafts- und Anteilseignerstruktur nachteilige steuerliche Sachverhalte ausgelöst werden werden, die in die Sphäre der (bisherigen) Gesellschafter fallen. Eine entsprechende steuerliche Belastung der Altgesellschafter ist bei der Vorbereitung, aber auch im Zuge der Veräußerung von Anteilen im Rahmen des IPOs zu beurteilen. Gleiches gilt für eine ggf. durch den Börsengang geänderte steuerliche Bemessungsgrundlage bei Anteilsübertragungen.

Erhöhte Publizitätserfordernisse geben detailliert Auskunft über das Unternehmen

Der Börsengang stellt – häufig erstmalig – dauerhaft hohe Transparenzanforderungen an den Emittenten. Die Offenlegung von Jahresabschlüssen, die unmittelbare Berichterstattung über die geschäftliche Entwicklung sowie die Darstellung der Anteilsverhältnisse machen das Unternehmen auf eine bis dato nicht praktizierte Weise transparent. Die laufende Verpflichtung zur (quartalsweisen) Berichterstattung, die Durchführung von Pressekonferenzen, Analysten- und Investorenterminen und die jährliche Hauptversammlung fordern von dem Unternehmen eine dauerhafte Bereitschaft zur Transparenz. Die Erfüllung dieser Publizitätserfordernisse ist gerade in wirtschaftlich schwierigen Phasen der Unternehmensentwicklung von besonderer Bedeutung.

Umkehrbarkeit eines IPOs (Delisting) ist mit erhöhten Anstrengungen und Kosten verbunden

Die Aufnahme einer Börsennotierung ist ein einschneidendes Ereignis in der Unternehmensentwicklung. Im Zuge des Börsengangs erfolgt oftmals eine personelle, strukturelle und organisatorische Neuorientierung. Dies kann z. B. Änderungen in der Eignerstruktur, die (Neu-)Besetzung des Vorstands bzw. Aufsichtsrates sowie eine gesellschaftsrechtliche Neuordnung umfassen. Gleichermaßen ist die Finanzierungsstruktur, die zukünftige Unternehmensentwicklung und die Geschäftsausrichtung wesentlich durch das IPO beeinflusst. Zudem werden durch ein öffentlichkeitswirksames IPO ein Image, strategische Zielsetzungen und Visionen kommuniziert, an denen sich das Unternehmen für lange Zeit messen lassen muss. Diese Schritte lassen sich in aller Regel nicht ohne Weiteres wieder rückgängig machen.

Ein IPO ist mit hohen Kosten verbunden

Der Gang an den Kapitalmarkt ist mit wesentlichen einmaligen („Going Public“-) Kosten verbunden. Hierzu zählen neben den Provisionen an die begleitenden Banken insb. die Kosten der Vorbereitung im Rahmen der Due Diligence, der steuerlichen Strukturierung und der Rechtsberatung, sowie Kosten für Investor Relations und Marketing. Hinzu kommen laufende („Being Public“-) Kosten die durch Offenlegungspflichten, Transparenzanforderungen und Investor-Relations Arbeit bedingt sind. Wesentlich aber ist vor allem der erhebliche zeitliche Aufwand, den das Top-Management eines börsennotierten Unternehmens dauerhaft zu bewältigen hat.


Autor: Christian Niederle
PDF: Restriktionen eines IPOs

1.7. Kriterien für ein erfolgreiches IPO

Es gibt Kriterien, die ein erfolgreiches IPO gewährleisten können. Diese sind schlüssig und einfach zu erfüllen. Es muss nur die Bereitschaft des IPO-Kandidaten vorhanden sein, das IPO als ein eigenständiges Projekt zu betrachten, das sich von seinem normalen operativen Geschäft erheblich unterscheidet. Es geht hierbei um die Platzierung der Aktie und nicht um die Produkte oder die Dienstleistungen des Unternehmens.

Überzeugende Equity Story / attraktiver Investment Case

  • Nachvollziehbares, nachhaltig aussichtsreiches Geschäftsmodell mit attraktiven Renditeerwartungen

Kompetentes Management

  • Sicheres und überzeugendes Auftreten gepaart mit ausgeprägter Fachkenntnis

Alleinstellungsmerkmale

  • Hilfreich zur positiven Abgrenzung von Wettbewerbern oder anderen bereits börsennotierten Vergleichsunternehmen

Aktive Kapitalmarktkommunikation

  • Eine Kernaufgabe wird eine transparente Investor-Relations-Arbeit sein, die aktiv den Kontakt zur Financial Community hält und zeitnah und umfassend informiert (und dies auch bei schlechten Meldungen).

Plausible Mittelverwendung

  • Die zielgerichtete und nachvollziehbare Verwendung der finanziellen Mittel aus dem Börsengang ist ein Kernelement bei der Gewinnung von Aktionären.

Einhaltung der rechtlichen Vorschriften und Marktusancen

  • Börsenordnung, Richtlinien der Transparenzlevel wie Entry Standard oder M:access, General und Prime Standard
  • Formelle Börsenfähigkeit

Marktkonforme Emissionsstruktur

  • Die Emissionsstruktur (Free Float, Verhältnis alte Aktien zu neue Aktien, Verhältnis Emissionsvolumen zu Umsatz, Greenshoe, Marktsegment, …) sollte sich an den Marktgegebenheiten orientieren und muss situativ angepasst werden. Ein reines „Kasse machen“ von Altaktionären kann eine qualitativ gute Aktie unplatzierbar machen.

Attraktive Preisfestlegung

  • Der Emissionspreis muss nicht nur dem Unternehmen einen angemessen Unternehmenswert zubilligen, er muss ferner den Investoren einen Kaufanreiz bieten, Platz für Wertsteigerungen lassen und der jeweiligen Situation am Aktienmarkt Rechnung tragen.

Liquidität im Sekundärmarkt

  • Je größer der tägliche Handelsumsatz an der Börse ist, umso attraktiver wird die Aktie für institutionelle Investoren.

Autor: Stefan Hock
PDF: Kriterien für ein erfolgreiches IPO (1,4 MB)

1.8. Klassische Fehler der IPO-Unternehmen

Der IPO-Prozess ist ein mehrmonatiger Arbeits- und Lernprozess für die Unternehmen und deren Management. Zudem ist es für die Unternehmen zumeist immer das erste Mal, dass sie diesen Weg gehen. Auf diesem Weg gibt es daher immer wieder klassische Fehler, die bei den IPO-Kandidaten passieren. Diese sollten vermieden werden, da sie einen – auch bereits laufenden – IPO-Prozess noch zum Scheitern bringen können.

Übertriebene Unternehmenswertvorstellungen

Emotional verständlich, aber der „Markt“ macht den Preis

Selbstüberschätzung des Managements

  • Ein IPO-Prozess / One-to-Ones mit Investoren sind mit den bisherigen Geschäftsprozessen und dem laufenden Geschäft nur schwer vergleichbar
  • Fehlende Lernbereitschaft, Disziplin und Flexibilität
  • Fehleinschätzung des Zeitaufwands / des Timings
  • Unzureichende aktive Vorbereitung des Managements und der Gesellschaft auf die Aufgaben und Pflichten des Going und Being Public

Unzureichende Besetzung der Organe aus Kapitalmarktsicht

  • Ausschließliche Besetzung der Organe mit Freunden und Familienangehörigen der Gründer und / oder Großaktionäre ist ein Vermarktungshemmnis
  • Ein qualifizierter Chief Financial Officer (Finanzvorstand) ist ein Muss

Nicht abgestimmte Kommunikationspolitik

Aussagen konträr zum Mediaplan; verfrühtes „Outen“ als IPO-Kandidat

Unzureichende interne Prozesskoordination

Wer ist für was zuständig; was darf gesagt werden

Wunsch nach nicht marktkonformer Emissionsstruktur

Gravierendes Hemmnis im Werben um die Gunst der Investoren; aufgrund der Vielzahl von gelisteten Unternehmen macht diese eine Emission höchstwahrscheinlich unplatzierbar

Beschädigung der Vertrauensbasis zur Emissionsbank

  • Unvollständige Angaben / Verschweigen von Negativereignissen
  • Gravierende Verfehlung von eigenen Planungen
  • Nichteinhaltung von Terminen und Zeitvorgaben
  • Vorsätzliche Fehlinformationen

Autor: Stefan Hock
PDF: Klassische Fehler der IPO-Unternehmen

1.9. Motive eines IPOs

Die Motive eines IPOs sind eine grundlegende Aussage im Rahmen einer Emissionsstrategie. Die Motive der Unternehmen, die einen Börsengang anstreben, sind facettenreich und treten zumeist als ein Motivbündel auf. Im IPO-Fall tritt aber immer ein Motiv als das dominierende Motiv auf.
Die anderen Motive spielen dann zwar eine Rolle, sie ordnen sich aber immer dem zentralen Motiv unter. Grundsätzlich lassen sich zwei Kategorien von Motiven für ein IPO unterscheiden: die unternehmensbezogenen und die eigentümerbezogenen Motive.

Unterteilung der Motive:

Es gibt eine Vielzahl von Motiven, die für eine Börseneinführung sprechen. Die in der Praxis am häufigsten anzutreffenden Motive lassen sich in zwei Kategorien einteilen:

  • Unternehmensbezogene Motive
  • Eigentümerbezogene Motive

Unternehmensbezogene Motive

  • Finanzierung von Wachstum

Empirische Studien verdeutlichen, dass das externe Unternehmenswachstum für mittelständische Unternehmen eine besondere Rolle spielt. Die externe Wachstumsfinanzierung steht eindeutig im Vordergrund. Die Motive „Stärkung des Eigenkapitals“ und „Wachstumsfinanzierung“ sind nicht scharf voneinander zu trennen, da Eigenkapital auch zur Finanzierung von Akquisitionen herangezogen werden kann.

Externes Wachstum beutet den Kauf von Shares oder Assets anderer Unternehmen. Hierbei besteht die Möglichkeit, eigene Aktien als Akquisitionswährung einzusetzen, um den Unternehmenskauf liquiditätsneutral gestalten zu können. Dies bedeutet, dass das börsennotierte Unternehmen gegen Abgabe seiner Aktien sich an anderen Unternehmen beteiligen kann.

Verwendung findet das Kapital nicht nur für externes Wachstum, sondern auch für internes Wachstum. Internes Wachstum bezieht sich auf eine Fülle von Verwendungsmöglichkeiten der Liquidität, um dadurch das organische Wachstum aus eigener Kraft voranzutreiben. In Betracht kommen z. B. der Ausbau der Produktion, des Vertriebs, der F&E-Aktivitäten und des Marketings.

Die erfolgreiche Verwendung des Kapitals für das Unternehmenswachstum erfolgt in der Regel innerhalb von ein bis zwei Jahren nach dem IPO und ist gegenüber den neuen Aktionären wie die Erfüllung eines Versprechens zu behandeln.

  • Genereller Zugang zum Kapitalmarkt

Der Börsengang ist insbesondere für mittelständische Unternehmen, die z. B. ein Listing am Entry Standard anstreben, ein Türöffner zum organisierten Kapitalmarkt und eröffnet den Unternehmen die Möglichkeit der Verstärkung der Eigenkapitalbasis. Die sich dadurch ergebende Verbesserung der Risikokapitalversorgung führt zu einer Verbesserung der Expansionschancen, erweitert die Fremdfinanzierungsmöglichkeiten oder eröffnet die Möglichkeit der Ablösung teurer Fremdfinanzierungen und führt zu einer Senkung der Kapitalbeschaffungskosten. Die bisher vorherrschende Abhängigkeit von den Fremdkapitalgebern kann dadurch erheblich reduziert werden. Der Börsengang ermöglicht somit eine stärkere Diversifizierung der Finanzierungsquellen.

Die Börsennotierung eröffnet den Unternehmen aber auch den Zugang zu weiteren Finanzierungsinstrumenten wie Wandelschuldverschreibungen oder Optionsanleihen, die anderen Gesellschaften nicht zur Verfügung stehen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, bei einer erfolgreichen Weiterentwicklung des Unternehmens, spätestens nach zwei Jahren im Wege einer Kapitalerhöhung, erneut Eigenkapital am organisierten Kapitalmarkt relativ unproblematisch und schnell zu beschaffen. Auch eine (parallele) Platzierung auf internationalen Börsenplätzen (Dual Listing) kann eine weitere Option sein, die jedoch hauptsächlich für Unternehmen in Betracht kommt, deren Hauptabsatzmärkte im Ausland liegen.

  • Internationalisierung

Der durch den Börsengang dem Unternehmen zufließende Emissionserlös wird häufig für die Realisierung oder die Vertiefung einer Internationalisierungsstrategie verwendet, die Teil der Wachstumsstrategie ist. Ziele einer Expansion ins Ausland sind die Erschließung neuer Absatzmärkte, die Erweiterung der Kundenbasis, die Senkung der Produktionskosten oder die Risiko- und Produktdiversifizierung. Zu diesem Zweck sind der Aufbau und die Finanzierung von Management- und Personalressourcen im In- und Ausland zwingend erforderlich.

  • Börseneinführung von Tochtergesellschaften

Auch Konzernunternehmen nutzen die Börseneinführung von Tochtergesellschaften, insbesondere solcher, die mit den Kernbereichen der Unternehmensgruppe keine Synergieeffekte aufweisen.

Bekannteste Beispiele der letzen Jahre sind der Börsengang der Deutsche-Telekom-Tochter T-Online International AG oder der Commerzbank-Tochter Comdirect. Je nachdem, wie hoch der an der Börse platzierte Unternehmensanteil des Tochterunternehmens ist, spricht man von einem Spin-off oder Equity Carve-out.

Ist das Mutterunternehmen der Unternehmensgruppe selbst an der Börse notiert und wird diese vom Kapitalmarkt unterbewertet, stellt die Börseneinführung eines wachstumsträchtigen und technologisch innovativen Tochterunternehmens ein vorteilhaftes Finanzierungsinstrument für die eigenen Kerngeschäftsfelder dar, um eine höhere Börsenbewertung zu erhalten. Die verbleibenden Anteile an dem Tochterunternehmen werden durch den Börsengang fungibel und können jederzeit zu Marktpreisen verkauft oder durch einen Zukauf aufgestockt werden. Gegenüber einem traditionellen Verkauf der Unternehmensanteile des Tochterunternehmens an einen Dritten besteht die Möglichkeit, im Rahmen eines mehrstufigen Verkaufs der Anteile über die Börse einen weitaus höheren Erlös erzielen zu können. Ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm des Tochterunternehmens kann zudem eine Motivationswirkung auf das Management und die Mitarbeiter haben. Auch können die Aktien des Tochterunternehmens als Akquisitionswährung verwendet werden.

  • Erhöhung des Bekanntheitsgrades

Der Börsengang ist mit einer Erhöhung des Bekanntheitsgrades verbunden, der sich von den Unternehmen in vielfältiger Weise nutzen lässt, z. B. als Public-Relations-Instrument. Positive Effekte können sich aber auch auf das Image des Unternehmens sowie auf die Rekrutierung qualifizierter Mitarbeiter ergeben. Durch die mit der Börsennotierung verbundene öffentliche Aufmerksamkeit steigt die Attraktivität des (mittelständischen) Unternehmens für hoch qualifizierte Manager. Die Position des Vorstands ist mit einer höheren Reputation sowie mit größeren unternehmerischen Freiräumen kraft Gesetzes verbunden. Dieser Aspekt gewinnt insbesondere dann an Bedeutung, wenn das Management nicht mehr in der erforderlichen Qualität aus den eigenen Reihen besetzt werden kann. In mittelständischen Unternehmen führt dies zu einer Trennung von Kapital und Management.

  • Verbesserung der Stellung gegenüber Stakeholdern

Börsenunternehmen stehen während und nach dem Börsengang im Fokus der Finanzöffentlichkeit und sind damit wesentlich präsenter als andere Unternehmen. Durch eine aktive Investor-Relations-Politik kann der positive Publizitätseffekt für ein besseres Standing gegenüber Lieferanten, Kunden, Banken, Aktionären und sonstigen Kooperationspartnern genutzt werden. Maßgeblich hierfür ist die Risikoausgleichsfunktion des Eigenkapitals, welche die Krisenanfälligkeit des Unternehmens reduziert.

Mit der Bekanntheit des Unternehmens wächst tendenziell auch die Kreditwürdigkeit, da aufgrund der mit dem Börsengang verbundenen Transparenzerfordernisse und der höheren Publizität im Rahmen der Folgepflichten die Bonität leichter unter Risikoaspekten geprüft werden kann.

  • Kapitalbeteiligung des Managements und der Mitarbeiter

Für Manager, die an der Spitze der 30 größten deutschen börsennotierten Konzerne stehen, sind Aktienoptionsprogramme seit Langem allgemein üblich und stehen häufig in der Kritik der Öffentlichkeit. Demgegenüber hat die Beteiligung von Mitarbeitern an ihrem arbeitgebenden Unternehmen – seit dem Ende des Neuen Marktes – sowohl bei den Unternehmen des Prime Standard als auch des Entry Standard derzeit keinen großen Stellenwert, trotz der steigenden Zahl von Neuemissionen in den letzten vier Jahren.

Bei Mitarbeiterbeteiligungsmodellen für Manager und Mitarbeiter in Form von Aktienoptionsprogrammen handelt es sich grundsätzlich um eine freiwillige Leistung des Unternehmens, mit der unterschiedliche Zielsetzungen erreicht werden sollen:

  • Identifikation der Belegschaft mit dem Unternehmen
  • Schaffung eines Anreizes für eine erfolgsorientierte Leistung, durch welche eine Erhöhung der Produktivität des Unternehmens angestrebt wird
  • Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber im internationalen Wettbewerb um qualifiziertes Personal
  • Stärkere Bindung der vorhandenen Mitarbeiter an das Unternehmen
  • Chance für Mitarbeiter, Kapitalvermögen als eine zusätzliche Alterssicherung aufzubauen

Mitarbeiterbeteiligungsmodelle, insbesondere Aktienoptionsprogramme, sind nicht unumstritten, da eine motivierende Wirkung auf die Mitarbeiter ausbleibt, wenn sie nicht ausgeübt werden können. In Bezug auf das Management können diese auch dazu führen, dass gute Nachrichten publiziert und schlechte Nachrichten zurückgehalten werden. Dies macht deutlich, dass Aktienoptionsprogramme in der Praxis sehr sensibel gehandhabt werden müssen.

  • Exit-Option für Finanzinvestoren

Empirische Studien belegen, dass mittelständischen Unternehmen, die im nicht EU-regulierten Marktsegment Entry Standard gelistet sind, mehrheitlich eine vorbörsliche Finanzierung durch Venture-Capital- und Private-Equity-Unternehmen aufweisen.

Die Beteiligung eines Venture-Capital- oder eines Private-Equity-Unternehmens kann sich vor einer Börseneinführung (Pre-IPO-Finanzierung) als sinnvoll erweisen, wenn die vorbereitenden Maßnahmen zu einem signifikanten Finanzierungserfordernis führen und gleichzeitig Kreditlinien benötigt werden oder wenn ein ungünstiges Börsenklima die Verschiebung eines geplanten Börsengangs erzwingt.

Wenn Venture-Capital- oder Private-Equity-Unternehmen Unternehmen finanzieren, dann investieren diese meist nur in solche, die bereits nennenswerte Umsätze und positive nachhaltige Cashflows erzielen sowie möglichst schon profitabel sind.

Ein wesentlicher hierbei zu berücksichtigender Aspekt ist, dass die bisherigen Unternehmensinhaber den neuen Mitgesellschaftern durch die Abgabe von Gesellschaftsanteilen Mitspracherechte gewähren müssen. Gerade Beteiligungsgesellschaften lassen sich insbesondere in strategischen Fragestellungen umfangreiche Mitspracherechte in Form von Erlaubnisvorbehalten einräumen. Als Gegenleistung wird dem Unternehmen Eigenkapital zur Verfügung gestellt, ohne dass dafür Sicherheiten bereitgestellt werden müssen.

Die durch die Pre-IPO-Finanzierung umzusetzenden Maßnahmen dienen dazu, die Attraktivität des Börsenaspiranten für die Anleger zu erhöhen. Eine Börseneinführung ohne eine ausgereifte Unternehmensstrategie und Equity Story, für die die vorbörslichen Kapitalmittel verwendet werden sollen, wird nicht zum Erfolg führen.

Die Beteiligungsgesellschaften sind als Miteigentümer Partner auf Zeit für einen Zeitraum von ca. drei bis fünf Jahren. Der Zeithorizont ihrer Beteiligung am Unternehmen ist davon abhängig, wie schnell das Unternehmen eine angemessene Rendite für die Investoren generiert.

Für den Exit dieser Investoren gibt es grundsätzlich vier unterschiedliche Möglichkeiten:

Trade Sale
Die Anteile am Unternehmen werden an einen strategischen Investor verkauft.

Secondary (Financial) Buy-out
Die Anteile am Unternehmen werden an einen zweiten Finanzinvestor verkauft.

Buy Back
Die Unternehmensanteile werden vom Alteigentümer zurückgekauft

Initial Public Offering
Die Beteiligungsgesellschaften platzieren die von ihnen gehaltenen Unternehmensanteile über einen Börsengang um. Dies ist die Variante, die in der Regel den höchsten Gewinn verspricht.

Eigentümerbezogene Motive

  • Kasse machen

Gesellschafter mittelständischer Unternehmen investieren in der Regel einen Großteil ihres Vermögens in das eigene Unternehmen. Dadurch ergeben sich für diese erhebliche Risiken, da die eigene Vermögenssituation wesentlich vom wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens abhängig ist. Durch die Umwandlung des Unternehmens in eine Aktiengesellschaft und einen darauf folgenden Börsengang besteht die Möglichkeit, das wirtschaftliche Risiko auf die Gesamtheit der Aktionäre zu verteilen. Durch die Platzierung eines begrenzten Teils der Aktien aus dem Besitz der altaktionäre beim Börsengang wird ein vom Unternehmerrisiko freies Privatvermögen geschaffen. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird dies als „Kasse machen“ der Altaktionäre bezeichnet.

Grundsätzlich honoriert die Börse nicht, wenn die aus dem Börsengang zufließende Liquidität aus dem Verkauf der vorhandenen Aktien stammt und damit überwiegend an die Altaktionäre fließt oder wenn damit vollumfänglich Kreditverpflichtungen abgelöst werden sollen. Die neuen Aktionäre erwarten, dass aus dem Börsengang möglichst viel neue Liquidtät dem Unternehmen zufließt und diese in Zukunftsprojekte des Unternehmens investiert und damit wertgenerierend eingesetzt wird. Dennoch, die Praxis zeigt, dass die Altaktionäre am Börsengang ihres Unternehmens profitieren können, solange die Grenze der Verhältnismäßigkeit nicht überschritten wird.

Der Börsengang des Unternehmens ist grundsätzlich mit keinem Einflussverlust der Altgesellschafter verbunden. Bei einem Free Float, d. h. dem Aktienanteil, der nicht in festem Besitz ist, von unter 50 % liegt die einfache Mehrheit bei den Altaktionären. Da die Präsenz der Aktionäre auf Hauptversammlungen regelmäßig unter 100 % liegt, hat dies zur Folge, dass die Altaktionäre auch bei einem Free Float von über 50 % der Aktien auf der Hauptversammlung über die Stimmenmehrheit verfügen können.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Instrumenten, um die Stimmenmehrheit der Altaktionäre zu gewährleisten (z. B. die Ausgabe von stimmrechtslosen Vorzugsaktien, Poolverträge, Satzungsgestaltungen).

  • Sicherung der Unternehmensnachfolge

Nach Erhebungen des Instituts für Mittelstandsforschung, Bonn, kann davon ausgegangen werden, dass Jahr für Jahr in rund 71.000 Unternehmen die Nachfolgefrage zu lösen ist. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Oftmals fehlt ein geeigneter Nachfolger aus dem Familienkreis. Möglich ist aber auch, dass Nachfolger vorhanden sind, diese aber nicht zur Verfügung stehen, weil entweder das Interesse nicht vorhanden ist, in das Unternehmen einzutreten, oder weil es am notwendigen Alter und der Erfahrung fehlt. Eine Option, die Unternehmensnachfolge zu regeln, ist der Börsengang. Dies setzt voraus, dass das Unternehmen zuvor in eine börsenfähige Rechtsform überführt wird, das für einen Börsengang notwendige Börsenreifekriterium erfüllt und für den Kapitalmarkt mit einer vielversprechenden Equity Story attraktiv ist.

Durch die Umwandlung in die börsenfähige Rechtsform der Aktiengesellschaft kommt es bei mittelständischen Unternehmen zur Trennung von Eigentum und Leitung. Die Unternehmensleitung können fortan externe Manager übernehmen, die vor dem eigentlichen Börsengang zu rekrutieren sind.

Die Rechtsform der AG ist für externe Manager sehr attraktiv. So ist zunächst das positive Image anzuführen, das mit der Position des Vorstands einer AG verbunden ist. Hinzu kommt, dass der Vorstand der AG zwar der Kontrolle des Aufsichtsrates unterliegt, jedoch ist dieser nicht an dessen Weisungen gebunden. Dies verhält sich bei den überwiegend mittelständisch geprägten Personengesellschaften anders, weshalb es für diese schwieriger ist, qualifizierte Führungskräfte zu finden.

Für mittelständische Unternehmer sind mit dem Börsengang mehrere Vorteile verbunden:

  • Der Börsengang lässt für den bisherigen Unternehmensinhaber die Möglichkeit offen, sich schrittweise aus dem Management zurückzuziehen und dem Unternehmen mit seinen Erfahrungen im Aufsichtsrat weiter zur Verfügung zu stehen.
  • Die Mehrheit der Aktien kann auch nach einem Börsengang von dem bisherigen Inhaber gehalten werden. Während im Prime Standard und General Standard ein Mindeststreubesitz von 25 % vorgeschrieben ist, können im Entry Standard im ersten Schritt auch weniger Aktien im Rahmen des Börsengangs platziert werden. Im Falle der Platzierung von stimmrechtslosen Vorzugsaktien ergibt sich durch den Börsengang kein Einfluss auf die Stimmrechtsverhältnisse.
  • Nach dem Ablauf einer mit der konsortialführenden Bank vereinbarten Haltefrist besteht jederzeit die Möglichkeit, durch den Verkauf weiterer Aktien über die Börse sich schrittweise vom Unternehmen zu trennen.
  • Ist ein familieninterner Nachfolger vorhanden, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt bereit, das Unternehmen zu führen, können bis dahin erfahrene externe (Top-)Manager die Unternehmensführung übernehmen.
  • Mit dem Börsengang seines Unternehmens kann sich der Inhaber weiterhin die Entscheidung offen halten, seine Aktien an Familienangehörige zu übertragen. Die an der Börse eingeführte Aktie besitzt ein Höchstmaß an Fungibilität. Sie kann von den Anteilseignern jederzeit veräußert bzw. übertragen werden.
  • Ein Börsengang beeinträchtigt die unternehmerische Unabhängigkeit in keiner Weise. Das dem Unternehmen über den Börsengang zufließende Eigenkapital stärkt vielmehr die Unabhängigkeit und die Bonität des Unternehmens.

In Abhängigkeit vom Status der Börsenreife ist für den Börseneinführungsprozess als Instrument der Unternehmensnachfolge ein Zeitraum von 6 bis 15 Monaten zu veranschlagen. Für das Management ist der Zeitaufwand in den einzelnen Phasen recht unterschiedlich, wobei die zeitliche Belastung in der Regel zunimmt, je näher der Zeitpunkt der Börseneinführung rückt. Unabhängige Emissionsberater können den Unternehmer insbesondere vor und während des Börsengangs in der Zusammenarbeit mit der Vielzahl von Beteiligten unterstützen.

  • Neustrukturierung des Gesellschafterkreises

Mit der Börseneinführung eines Unternehmens kann bei Unternehmen mit vielen Gesellschaftern auch Konflikten im Gesellschafterkreis begegnet werden.

Das Ausscheiden von Gesellschaftern ist in der Regel mit der Auszahlung der Gesellschaftsanteile verbunden. Ist das Problem der Bewertung der Anteile gelöst, sind die verbleibenden Gesellschafter vielfach finanziell nicht in der Lage, die Gesellschaftsanteile der abgebenden Gesellschafter zu übernehmen. Ebenso besteht die Möglichkeit, dass ausscheidende Gesellschafter keinen Käufer für ihre Anteile finden. Die Gründe hierfür können vielschichtig sein.

Erfüllt das Unternehmen die Voraussetzungen für einen Börsengang, können derartige Konflikte in der Regel nicht auftreten. Die Bewertung der Gesellschaftsanteile erfolgt auf der Grundlage des Börsenkurses, der den Markt- bzw. Verkehrswert repräsentiert. Aufgrund der hohen Fungibilität der Aktie ist der Gesellschafterwechsel bzw. der Verkauf von Aktien, soweit diese keiner zeitlichen Halteverpflichtung unterliegen, deutlich einfacher. Zu beachten ist hierbei, dass die ausscheidenden Gesellschafter den Aktienverkauf möglichst markt- bzw. kursschonend vornehmen. In Betracht kommt beispielsweise die Platzierung von Aktienpaketen bei institutionellen Investoren.


Autor: Günter Kaehlert
PDF: Motive eines IPOs

1.10. Übersicht über die Börsensegmente


Autor: Michael Oppermann
PDF: Übersicht über die Börsensegmente