3.8. IPO und Rechnungslegung

Zwischen der Rechnungslegung nach HGB und nach IFRS bestehen zurzeit noch erhebliche Unterschiede. Eine erste Angleichung der Vorschriften wird das Bilanzmodernisierungsgesetz bringen. Grundsätzlich erfolgt die Rechnungslegung nach HGB gläubigerschutzorientiert, die IFRS-Rechnungslegung hingegen investorenorientiert. Insofern wird die Rechnungslegung nach IFRS den Informationsanforderungen der Aktionäre beim IPO eher gerecht.

Grundlegende Unterschiede IFRS vs. HGB

Die Rechnungslegung nach HGB erfolgt grundsätzlich gläubigerschutzorientiert und ist durch das Vorsichtsprinzip dominiert. Dies wird z. B. auch daran deutlich, dass das HGB die historischen Anschaffungskosten aus Gründen der Objektivierung der Rechnungslegung als Obergrenze des Wertansatzes definiert.

Die IFRS-Rechnungslegung hingegen ist investorenorientiert und verfolgt den Zweck, Informationen über die Vermögens und Finanzlage, die Ertragskraft und die Cashflows eines Unternehmens bereitzustellen. In der IFRS-Bilanz soll das Vermögen grundsätzlich vollständig ausgewiesen werden.

Allerdings deutet sich hier ein möglicher Paradigmenwechsel durch die Einführung des Bilanzmodernisierungsgesetzes an. Grundsätzliche Ziele des BilMoG-Gesetzes sind, das HGB von Wahlrechten zu entschlacken und eine Annäherung an IFRS-Normen zu erzielen. Inwieweit dieses Ziel erreicht wird, bleibt abzuwarten. Alle weiteren Ausführungen beziehen sich auf HGB vor möglicher Änderung durch das BilMoG.

So sind nach IFRS z. B. selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte zu aktivieren, während dies nach HGB (vor BilMoG) strikt verboten ist.

Auch lösen sich die IFRS von den historischen Anschaffungskosten und erlauben bzw. verlangen den Ansatz von Martkwerten (Fair Value). Die Fair-Value- Bewertung der IFRS hat nicht nur einen starken Einfluss auf die Periodenergebnisse, sondern verursacht auch ergebnisneutrale Schwankungen des Eigenkapitals, z. B. durch ergebnisneutrale Marktbewertung von Available-for-Sale-Wertpapieren.

Bestandteile eines IFRS-Abschlusses sind:

  • Bilanz
  • GuV
  • Eigenkapitalveränderungsrechnung
  • Kapitalflussrechnung
  • Anhang
  • Lagebericht (§ 315 HGB verpflichtend, obwohlkeine IFRS-Vorschrift)
  • Kennzahlen des Ergebnisses je Aktie (börsennotierteUnternehmen)
  • Segmentberichterstattung (börsennotierte Unternehmen)

Eine Umstellung der Rechnungslegung von HGB auf IFRS hat retrospektiv zu erfolgen, d. h. als ob das Unternehmen schon immer die zum Abschlussstichtag geltenden IFRS angewandt hätte.

Die Rechnungslegung nach IFRS ist deutlich komplexer und erfordert deutlich mehr Ressourcen und stellt eine Herausforderung sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Art dar.

Im Folgenden werden signifikante Unterschiede der Rechnungslegungsmethoden kurz dargestellt:

Eigenkapital

Eigenkapitalerhöhungen können im Rahmen von Barkapitalerhöhungen durch einen Börsengang (IPO) erfolgen. Eigenmittelzuflüsse im Rahmen von Bar- oder Sachkapitalerhöhungen führen zu einer Erhöhung des gezeichneten Kapitals (Common Stock) in Höhe des Nennwerts der ausgegebenen Aktien. Soweit der Ausgabepreis den Nennwert übersteigt, wird dieses Agio der Kapitalrücklage (Additional paid in Capital) zugeführt. Dies entspricht den handelsrechtlichen Grundsätzen. Die mit der Ausgabe von Eigenkapital direkt verbundenen Kosten sind gemäß IAS 32.37 nicht als Aufwand in der GuV zu berücksichtigen, sondern unmittelbar vom zugegangenen Eigenkapital zu kürzen. Sind die Eigenkapitalbeschaffungskosten steuerlich abziehbar, vermindert sich der Kürzungsbetrag entsprechend, d. h. es erfolgt eine Nettokürzung der Kapitalrücklage. Interne Kosten sind jedoch grundsätzlich von der Verrechnung ausgeschlossen. Eine Besonderheit stellt die bilanzielle Behandlung der steuerlichen Auswirkungen dieser Kosten dar. Das deutsche Steuerrecht sieht eine Abzugsfähigkeit dieser Kosten vor. Der aus dem ertragsteuerlichen Abzug dieser Kosten resultierende steuerliche Vorteil ist ebenso mit dem Zufluss im Eigenkapital zu verrechnen.

IAS 32.37

Einem Unternehmen entstehen bei der Ausgabe oder beim Erwerb eigener Eigenkapitalinstrumente in der Regel verschiedene Kosten. Hierzu zählen beispielsweise Register- und andere behördliche Gebühren, an Rechtsberater, Wirtschaftsprüfer und andere professionelle Berater entrichtete Beträge, Druckkosten und Börsenumsatzsteuern. Die Transaktionskosten einer Eigenkapitaltransaktion sind als Abzug vom Eigenkapital (gemindert um alle damit verbundenen Ertragssteuervorteile) zu bilanzieren, soweit es sich um zusätzliche, der Eigenkapitaltransaktion direkt zurechenbare Kosten handelt, die andernfalls vermieden worden wären. Die Kosten einer eingestellten Eigenkapitaltransaktion sind als Aufwand zu erfassen.

Hinweis:
Managementvergütungen oder sonstige allgemeine Verwaltungsaufwendungen können nicht aktiviert werden, da sie keine zusätzlichen, der Eigenkapitaltransaktion direkt zurechenbaren Kosten darstellen.

Nach HGB dürfen IPO Kosten nicht von der Kapitalrücklage gekürzt werden und sind vollständig im Aufwand zu erfassen.

Firmenwert/Goodwill

  • Der Firmenwert/Goodwill aus einem Unternehmenszusammenschlussist der Mehrwert, den der Erwerber in der Erwartung künftiger Gewinne über die erworbenen und identifizierbarenVermögenswerte abzüglich der Schulden hinausvergütet.
  • Nach HGB (vor BilMoG) erfolgt in der Regel eine planmäßige Abschreibung des Geschäfts- oder Firmenwertes über eine festgelegte Nutzungsdauer(i. d. R. 20 Jahre). Allerdings lässt das HGBvor BilMoG auch noch erfolgsneutrale Verrechnungen zu.
  • Nach IFRS ist der erworbene Goodwill mit seinem ursprünglichen Wertansatz zu bilanzieren, bisein nach IAS 36 mindestens einmal im Jahr durchgeführter Werthaltigkeitstest (ImpairmentTest) die Notwendigkeit einer Wertberichtigungaufzeigt. Durch den Wegfall der planmäßigenAbschreibung des Goodwill tritt für Unternehmenzunächst ein positiver Ergebniseffekt ein. In wirtschaftlich schlechteren Zeiten steigt allerdings auch die Gefahr eines Werthaltigkeitsproblems,was eine außerplanmäßige Abschreibung zur Folge haben kann. Eine solche Abschreibung kann inden Folgejahren auch bei deutlicher Ergebnisverbesserung nicht mehr aufgeholt werden.

Latente Steuern

  • Latente Steuern dienen der zutreffenden Erfassung zukünftiger Steuerbe- und entlastungen. Eine Steuerlatenz besteht nach Maßgabe der Differenz zwischen IFRS und Steuerbilanzansatz eines Vermögenswerts oder Schuld.
  • Grundsätzlich erfolgt ein unterschiedlicher Ansatzbei der Ermittlung latenter Steuern zwischen HGB und IFRS:
  • Dem HGB liegt das sogenannte Timing Concept,d. h. eine GuV-orientierte Betrachtung zugrunde.
  • Die IFRS ermitteln latente Steuern nach demTemporary Concept, d. h. einer bilanzorientierten Betrachtung. Der materielle Unterschied liegt darin, dass nach der IFRS-Rechnungslegungsphilosophie Änderungen von Bilanzposten zwischen zwei Stichtagen (Vermögensvergleich) entweder erfolgswirksam über die GuV oder ergebnisneutral direkt im Eigenkapital verbucht werden. Nachdem Temporary Concept sind die erfolgsneutral entstandenen Abweichungen zwischen den steuerlichen Buchwerten und IFRS-Buchwerten der Steuerlatenzrechnung zu unterwerfen.
  • Nach HGB besteht noch ein Aktivierungswahlrecht für latente Steuern (wird durch das BilMoG wahrscheinlich geändert), während nach IFRS eine Aktivierungspflicht besteht.

Anhang/Notes

  • Im Vergleich zum HGB sind die Anhangangabennach IFRS detaillierter und in der Regel mitwesentlich höherem Aufwand zu erstellen.
  • Der Anhang gliedert sich nach IFRS schwerpunktmäßigin folgende Bereiche:
  • Allgemeine Angaben (u. a. Übereinstimmung mit IFRS)
  • Angaben zu Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden
  • Angaben zur Ausübung des Ermessens
  • In der Praxis haben die Notes nach IFRS selbst bei kleinen Gesellschaften oftmals einen Umfang von mehr als 50 Seiten.

Autor: Michael Oppermann
PDF: IPO und Rechnungslegung