Die Börsenfähigkeit, d. h. die formellen und materiellen Voraussetzungen, die ein potentieller Börsenkandidat erfüllen muss, setzen in unterschiedlichen Bereichen eine Börsenreife voraus. Hierzu zählen die rechtliche, die wirtschaftliche und die innere Börsenreife sowie die Börsenreife des Managements. Der Erfüllungsgrad der Börsenreife – bis auf die rechtlichen Erfordernisse – ist immer auch vom jeweiligen Börsenklima abhängig. Die praktische Erfahrung zeigt, dass z. B. bei einem positiven Börsenklima mit einer größeren Zahl von Börsengängen der Anspruch des Kapitalmarktes an den Erfüllungsgrad der Börsenreife niedriger sein kann.
In Deutschland sind ausschließlich Anteile (Aktien) von Aktiengesellschaften (AG), Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA) und von der Europäischen Aktiengesellschaft, Societas Europaea (SE), zum Handel an einer Börse zugelassen. Darüber hinaus ist auch noch die Sonderform der GmbH & Co. KGaA möglich, die aber für die Praxis kaum eine Rolle spielt. Für viele Unternehmen, die einen Börsengang planen, steht die Rechtsformumwandlung bzw. der Rechtsformwechsel an vorderster Stelle bei den vorbereitenden Maßnahmen.
Zusammengefasst sind folgende Kriterien für die rechtliche Börsenfähigkeit einzuhalten:
- Börsenfähige Rechtsform (AG, KGaA, SE)
- Etablierung Aufsichtsrat (mind. drei Personen oder ein Vielfaches davon)
- Strukturierung des Eigenkapitals (Höhe, Aufteilung in Grundkapital und Rücklagen)
- Gestaltung einer börsenfähigen Satzung (Satzungsänderungen unterliegen gesetzlich einer 75 % Mehrheit auf der Hauptversammlung; nach einem IPO liegt diese Mehrheit oftmals nicht mehr bei den Gründungsaktionären)
- Verabschiedung Geschäftsordnung Vorstand und Aufsichtsrat (können im Gegensatz zur Satzung ohne Hauptversammlungsbeschluss wieder geändert werden, daher flexibler)
- Gegebenfalls Bildung von Stimmpools unter den Gründungsaktionären
- Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern (z. B. Mietverträge) müssen überprüft werden, ob sie einem Fremdvergleich standhalten
Einzelfallabhängig, aber dennoch i. d. R. notwendig sind folgende Voraussetzungen:
- Einbringung aller betriebsnotwendigen Aktiva in die Gesellschaft, die an die Börse gehen soll (z. B. keine Zurückbehaltung betriebnotwendiger Patente im Eigentum der Gründungsgesellschafter)
- Einführung eines Risikomanagement-Systems nach § 91 Abs. 2 AktG
- Vorlage von maximal drei testieren (Konzern-) Jahresabschlüssen nach HGB, IFRS oder US-GAAP (die Entscheidung für eine der Rechnungslegungsnormen ist auch abhängig von der Entscheidung für ein Börsensegment)
- Vorlage von maximal drei testieren (Konzern-) Jahresabschlüssen nach HGB, IFRS oder US-GAAP (die Entscheidung für eine der Rechnungslegungsnormen ist auch abhängig von der Entscheidung für ein Börsensegment)
Darüber hinaus gibt es börsensegmentspezifische Anforderungen, die sich in den Zulassungsvoraussetzungen und den Folgepflichten niederschlagen.
Es gibt nur äußerst selten Unternehmen, die schon zu Beginn des Projekts „Börsengang“ alle Anforderungen erfüllen. Dies ist für den Erfolg des Projekts unerheblich. Wichtig ist vor allem, dass diese Maßnahmen – unterstützt durch vertraulich agierende, erfahrene Berater – vor der Kontaktaufnahme zu Banken, Investoren oder gar der Öffentlichkeit abgeschlossen sind.
Autor: Dr. Rainer Mauer
PDF: Rechtliche Börsenreife