2.8. Kapitalerhöhung zum IPO

Im Zuge eines IPOs wird typischerweise eine Kapitalerhöhung durchgeführt, da die Ausgabe neuer Aktien gegen Zufluss zusätzlicher Finanzmittel von Investoren als Indiz für eine überzeugende Equity Story, insbesondere künftiges Wachstum, gewertet wird. Eine gestärkte Eigenkapitalausstattung kann darüber hinaus auch zu verbesserten Finanzierungskonditionen in der Zukunft führen, positive Auswirkungen auf den (zukünftigen) Börsenkurs entfalten, gesellschaftsrechtliche Vorteile mit sich bringen (z. B. höheres genehmigtes Kapital, höhere Nachgründungsschwelle) oder Bilanzrelationen optimieren. Die Kapitalerhöhung erfolgt gegen Bareinlagen, und zwar entweder als ordentliche Kapitalerhöhung durch Beschluss der Hauptversammlung oder als solche aus genehmigtem Kapital. Da ein Ziel eines Börsengangs die Gewinnung neuer Investoren ist, verzichten die Aktionäre i. d. R. auf ihr Bezugsrecht.

Einleitung

Da das Grundkapital der AG in ihrer Satzung festgelegt ist, ist eine Kapitalerhöhung, mit der diese Kapitalziffer verändert wird, nur als Satzungsänderung möglich. Daher bedarf jede Kapitalerhöhung eines Beschlusses der Aktionäre im Rahmen der Hauptversammlung und der Eintragung in das Handelsregister. Der Hauptversammlungsbeschluss erfordert eine Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei Beschlussfassung anwesenden Grundkapitals umfasst, daneben zusätzlich die einfache Stimmenmehrheit.

Zum Schutz der bestehenden Aktionäre vor Verwässerung ihrer Beteiligungsquote und zur Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sieht das Aktienrecht vor, dass neue Aktien grundsätzlich zunächst den Altaktionären – in anteiliger Höhe ihrer Beteiligung – zum Bezug angeboten werden müssen. Sollen Dritte neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung erhalten, muss das Bezugsrecht der Aktionäre entweder in dem Kapitalerhöhungsbeschluss ausgeschlossen oder durch einen Verzicht der Aktionäre freigegeben werden. Da die Gesellschaft vor der ersten Börsennotierung i. d. R. über einen überschaubaren, geschlossenen Kreis von Aktionären verfügt, die den Börsengang allesamt mittragen, wird auf das Bezugsrecht beim Börsengang in der Regel verzichtet. Im Übrigen kann der Gang an die Börse möglicherweise eine sachliche Rechtfertigung eines Bezugsrechtsausschlusses darstellen, wenn die Erschließung des Kapitalmarktes im besonderen Interesse der Gesellschaft liegt.

Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln

Im Vorfeld eines Börsengangs wird häufig eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durchgeführt. Ziel ist es, die Aktie „leichter“ zu machen, also den je Aktie repräsentierten Unternehmenswert zu verringern. Auf diese Weise soll die breite Platzierung der Aktie bei einer Vielzahl von Investoren erleichtert werden.

Bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln werden keine Einlagen geleistet – es erfolgt somit kein Mittelzufluss. Vielmehr werden die bei der Gesellschaft bereits vorhandenen Rücklagen in neues Kapital umgewandelt. Man spricht deshalb auch verbreitet von „Gratisaktien“. Voraussetzung dafür ist, dass die Gesellschaft über ausreichende Kapitaloder Gewinnrücklagen verfügt, die im letzten Jahresabschluss oder in einer besonderen Zwischenbilanz ausgewiesen sein müssen. Die Kapitalerhöhung kann entweder durch Ausgabe neuer Aktien oder Erhöhung des Nennwertes der bestehenden (Stück-) Aktien erfolgen. Werden neue Aktien ausgegeben – wie typischerweise in Vorbereitung eines Börsengangs – stehen diese zwingend den Altaktionären im Verhältnis ihrer bestehenden Beteiligung zu.

Ordentliche Kapitalerhöhung

Eine IPO-Kapitalerhöhung kann entweder als ordentliche Kapitalerhöhung durch einen Beschluss der Hauptversammlung oder durch Ausnutzung eines genehmigten Kapitals erfolgen. Hat die Hauptversammlung eine ordentliche Kapitalerhöhung beschlossen, werden die neuen Aktien gezeichnet und die Einlagen darauf geleistet. Nach Zeichnung und Einlageleistung wird die Durchführung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister angemeldet. Mit erfolgter Eintragung in das Handelsregister ist das Grundkapital erhöht. Das Aktiengesetz gestattet die Einlageerbringung im Rahmen der Kapitalerhöhung durch Bar- und durch Sacheinlagen, wobei IPO-Kapitalerhöhungen stets als Barkapitalerhöhung erfolgen. Der Hauptversammlungsbeschluss muss die Art der Einlageerbringung festsetzen. Bareinlagen sind so zu leisten, dass sie zur freien Verfügung des Vorstands stehen.

In der Regel agieren die den Börsengang begleitenden Banken als „technische Abwicklungsstelle“. Dabei werden die neuen Aktien zunächst komplett von den Banken zum geringsten Ausgabebetrag gezeichnet und den Investoren dann im Wege des sogenannten Bookbuildings angeboten. Anschließend erfolgt die Platzierung im Markt zu den mit dem Bookbuilding bestimmten Konditionen. Die Differenz zwischen dem genehmigten Ausgabebetrag und dem Platzierungspreis, zu dem die Aktien an die Investoren verkauft werden, wird nach Abschluss des Angebots an die Gesellschaft abgeführt.

Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital

Statt die Kapitalerhöhung unmittelbar zu beschließen, kann die Hauptversammlung den Vorstand für die Dauer von bis zu fünf Jahren ermächtigen, eine Kapitalerhöhung durch Sach- oder Bareinlagen durchzuführen. Dieser kann dann mit Zustimmung des Aufsichtsrats zum bestmöglichen Zeitpunkt schnell und flexibel neues Eigenkapital beschaffen. Die Höhe des genehmigten Kapitals ist beschränkt auf die Hälfte des im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Ermächtigung vorhandenen Grundkapitals. Zur Durchführung sind in der Regel je zwei Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat erforderlich: Zunächst beschließt der Vorstand die Ausnutzung des genehmigten Kapitals mit lediglich einer Maximalzahl zu schaffender Aktien („bis zu“) und legt eine Preisspanne für den Platzierungspreis fest. Dieser Beschluss unterliegt bereits der Zustimmung durch den Aufsichtsrat. Im Anschluss werden die Aktien im Wege des Bookbuildings angeboten. Nach Abschluss des Angebots werden die Anzahl der neuen Aktien und der Platzierungspreis festgelegt. Auch dieser Beschluss erfordert die Zustimmung des Aufsichtsrates.

Auch im Rahmen eines Börsenganges ist die Ausnutzung eines genehmigten Kapitals möglich. Je nach Strukturierung der Transaktion und Lage der Gesellschaft sind aber die Vor- und Nachteile der Kapitalerhöhungsarten zu berücksichtigen: Eine ordentliche Kapitalerhöhung bedarf grundsätzlich keines gesonderten Aufsichtsratsbeschlusses. Zudem bleibt ein bestehendes genehmigtes Kapital unangetastet für Geschäftschancen nach dem Börsengang (z. B. Unternehmenserwerb durch Ausgabe neuer Aktien als Akquisitionswährung). Ein mit der ordentlichen Kapitalerhöhung zeitgleich beschlossenes genehmigtes Kapital kann mit einem größeren Volumen ausgestattet werden.

Bei der ordentlichen Kapitalerhöhung müssen jedoch – soll kurzfristig unter Verzicht auf Form und Frist beschlossen werden – alle Aktionäre zugegen oder vertreten sein, was bei Gesellschaften mit größerem Aktionärskreis aufwändig ist. Darüber hinaus muss eine ordentliche Kapitalerhöhung spätestens sechs Monate nach Beschlussfassung durchgeführt werden, so dass dessen Einsatz unflexibler als der eines genehmigten Kapitals ist.

Mögliche Probleme im Zusammenhang mit Kapitalerhöhungen

Einlageleistungen sind grundsätzlich zur freien Verfügung des Vorstands zu leisten. Da sie Teil des den Gläubigern als potenzielle Haftungsmasse bereitstehenden Grundkapitals sind, dürfen sie grundsätzlich weder unmittelbar noch mittelbar an die Aktionäre zurückgezahlt werden (Grundsatz der Kapitalerhaltung). Da die den Börsengang begleitenden Banken wegen der technischen Abwicklung zwischenzeitlich Aktionäre werden, sind besondere Vorkehrungen zu treffen, wenn Darlehen bei diesen Banken aus dem Emissionserlös zurückgeführt werden sollen.


Autoren: Prof. Dr. Michael Schlitt / Dr. Susanne Schäfer / Dr. Thorsten Becker
PDF: Kapitalerhöhung zum IPO (1,4 MB)