6.15. Fortlaufendes Research Coverage

Die Investor-Relations-Arbeit kann durch ein fortlaufendes Research Coverage in der Post-IPO-Phase unterstützt werden, zumal sich viele institutionelle sowie private Anleger nach den Empfehlungen der Finanzanalysten richten. Diese Researchstudien verdichten monetäre wie nichtmonetäre Informationen des Unternehmens auf eine für den Kapitalmarkt verständliche Qualität, um Investitionsentscheidungen zu untermauern. Für das börsennotierte Unternehmen ist es daher wichtig, Finanzanalysten zu beauftragen sowie neue Researchstudien zu initiieren, da sich diese positiv auf die Präsenz am Kapitalmarkt auswirken. In Zuge dessen etablieren sich mehr und mehr bankenunabhängige Analysehäuser, die der Forderung der Investoren nach unabhängigen Researchs nachkommen.

Investor Relations sind darauf ausgerichtet, die Beziehungen zu bestehenden Investoren zu pflegen und neue Investoren zu erreichen. Für diese Zwecke kann ein fortlaufendes Research Coverage für das börsennotierte
Unternehmen in der Post-IPO-Phase von Nutzen sein, denn die Finanzanalysten stellen für die Aktie die wichtigste Multiplikatorengruppe dar.

Nach den Empfehlungen von Finanzanalysten richten sich vorwiegend institutionelle Investoren, aber auch private Investoren sowie Vermögensberater. Aus diesem Grund kann eine Vielzahl von Analystenempfehlungen hilfreich für die Investor-Relations-Arbeit sowie als „Aktienmarketing“ für die Aktienkursentwicklung des Unternehmens sein, wenn die Empfehlungen zu Gunsten des Unternehmens ausfallen. Die Finanzanalysten stellen deshalb eine wichtige Zielgruppe der IR-Manager eines börsennotierten Unternehmens dar.

In das Analysemodell der Finanzanalysten gehen sowohl monetäre und finanzanalytische Kennzahlen als auch „Non-Financial“-Informationen ein, hinter denen sich erhebliche Einflussfaktoren für den Erfolg und den Misserfolg eines Unternehmens verbergen können. Finanzanalysten reduzieren im Rahmen ihrer Arbeit die Komplexität von Unternehmen in eine für den Kapitalmarkt verwertbaren und verständlichen Qualität.

Die Liquidität einer Aktie (hier: Volumen der gehandelten Aktien) steht oft in direktem Zusammenhang mit der Anzahl der covernden Analysten. Die Researchstudien der Sell-Side-Analysten globaler Broker und von Investmenthäusern werden überwiegend an eine Vielzahl institutioneller Investoren verteilt. Diese können die bis dahin exklusiven Informationen dazu nutzen in eine Aktie zu investieren oder zu desinvestieren. Nach Ablauf einer gewissen Karenzzeit werden die Researchinformationen dann auch einer professionellen Bereichsöffentlichkeit zugänglich gemacht. Daraus lässt sich unzweifelhaft folgern: Je höher der Verbreitungsgrad dieser Informationen ist, umso höher ist die Liquidität der Aktie!

Das Halten und Binden bestehender Analysten sowie die Initiierung von Coverage durch neue Analysten ist sowohl für die Liquidität als auch für die Präsenz von Unternehmen am Kapitalmarkt von Bedeutung.


Coverage-Rahmenbedingungen

Die Aufnahme von Coverage durch Finanzanalysten setzt bestimmte Rahmenbedingungen voraus:

  • Gründerfamilien und Management sollten möglichst einen geringen Anteil an Aktien halten, da
    von Seiten der Analysten unterstellt wird, dass diese häufig Information spärlicher zur Verfügung stellen oder diese selektiv distributieren.
  • Hoher Streubesitz von Aktien ist von Vorteil, da diese ansonsten schlechter handelbar sind und sich die Chancen für den Broker bzw. dem Investmenthaus verringern, Transaktionen durchzuführen und somit Geld mit dem Research-Coverage zu verdienen.
  • Die Anteile des Unternehmens sollten möglichst überwiegend von institutionellen Investoren gehalten werden.
  • Für Broker und Investmenthäuser ist von entscheidender Bedeutung, wie schnell und effektiv signifikante Informationen verwertet werden können. Relevante und plausible Unternehmensinformationen sollten daher leicht zugänglich und verfügbar sein. Die Informationstiefe und die Zukunftsorientiertheit der Informationen stehen hierbei im Mittelpunkt. Sogenannte „Non-Financial“-Informationen, wie z. B. Unternehmensstrategie, Kunden, Prozesse, Patente oder intellektuelles Kapital, spielen für die Bewertung von Unternehmen eine wichtige Rolle.
  • Überschaubare und transparente Unternehmensstrukturen sind für Analysten bei der Informationsverarbeitung in der Finanzanalyse von Vorteil.
  • Die Aufnahme und Fortführung der Coverage (im Regelfall quartalsweise) von Unternehmen bindet die Ressourcen des Analysten und erfolgt vom Broker bzw. Investmenthaus nur dann, wenn die Möglichkeit besteht, mit der Verbreitung des Researchs über die Aktie Handel zu initiieren und damit Geld zu verdienen. Das Unternehmen bzw. der Vorstand sollte mit seiner Veröffentlichungsstrategie unterstützend mitwirken, um das Interesse der Sell-Side-Analysten aufrecht zu erhalten.


Bankenunabhängiges Research zur Sicherung der Coverage

Research Coverage wird nicht nur von Brokern und Investmenthäusern durchgeführt. Im Kapitalmarkt haben sich auch einige bankenunabhängige Analysehäuser (Independent Research Firms) etabliert. Diese erstellen auch im Auftrag des Emittenten oder eines Finanzdienstleiters Research-Analysen.

Unternehmen, die bankenabhängige oder bankenunabhängige Analysten mit der Coverage beauftragen, sollten im Vorfeld prüfen, inwieweit der potenzielle Auftragnehmer über ausreichende berufliche Erfahrung sowie über ein Kontaktnetzwerk zu institutionellen Investoren verfügt, um den Research auch distributieren zu können.

Die Güte der Coverage eines Analysten im Allgemeinen und eines bankunabhängigen Researchhauses im Besonderen korrespondiert in der Regel mit dem Ansehen des Berufsangehörigen im Markt, dass sich gewöhnlich nach seiner Qualifikation, seiner Integrität und seiner Erfahrung bemisst. Dies lässt sich von Seiten der Unternehmen als Auftraggeber relativ schnell eruieren.

Institutionelle Investoren sind grundsätzlich an unabhängigen Researchs interessiert. Sie legen besonderen Wert auf das unabhängige Denken bei Analysten, auf die Konsistenz des geschlossenen Prognosemodells und auf bestimmte Bestandteile des Researchberichts, wie z. B. die Stärken-/Schwächen-Analyse, die Marktanalyse, eine Unternehmensbewertung und eine Anlagenempfehlung.

Sofern Small-Cap-Unternehmen aufgrund von Informationslücken vom Kapitalmarkt nicht wahrgenommen werden, besteht durchaus die Möglichkeit, durch Auftragsstudien unabhängiger Analysehäuser ein Coverage durch Sell-Side-Analysten auszulösen.

Die Praxis zeigt, dass mit der Beauftragung einer bankenunabhängigen Coverage Gefälligkeitsstudien grundsätzlich nicht zu erwarten sind. Ein externes Rating ist ebenso kostenpflichtig und führt in der Regel bei Unternehmen auch zu Bonitätsabstufungen, womit grundsätzlich widerlegt ist, das positive Beurteilungen gekauft werden können.


Qualitätskriterien von Analysten

Wie gut die Empfehlungen von Finanzanalysten sind, lässt sich nicht nur an der Performance des Portfolios des jeweiligen Investors ablesen, sondern wird z. B. auch durch die jährlich vergebenden Aktien-Analysten-wards dokumentiert, die von der Börsen-Zeitung vergeben werden. Aber auch namhafte Finanzmagazine und Wirtschaftszeitungen werten die Empfehlungen der Finanzanalysten in regelmäßigen Zeitabständen aus und informieren hierüber die breite Öffentlichkeit. Unter den erfolgreichen Researchteams stehen ebenso Banken wie auch bankenunabhängige Researchhäuser.


Autor: Pierre Drach
PDF: Fortlaufendes Research Coverage