1.5. Vorteile eines IPOs

Unabhängig von den konkreten Motiven für einen Börsengang bietet der Gang an den Eigenkapitalmarkt eine Vielzahl von Vorteilen gegenüber alternativen Finanzierungsformen. Im praktischen Fall werden zumeist ein oder zwei Vorteilskategorien ein IPO maßgeblich beeinflussen. Die weiteren Vorteile werden dann von Fall zu Fall hervorgehoben. Der Vielzahl von Vorteilen stehen sowohl aus Unternehmenssicht als auch aus der Perspektive der (Alt-)Gesellschafter eine Reihe möglicher Restriktionen gegenüber.

Zugang zu externen Kapitalquellen wird i. d. R . durch ein IPO erstmals möglich

Der Börsengang führt dem Unternehmen externes Eigenkapital zu, das unbefristet zur Verfügung steht und in einem Volumen zugänglich gemacht wird, wie es i. d. R. weder durch die Innenfinanzierungskraft noch durch weiteres Kapital aus dem (bisherigen) Eignerkreis darstellbar ist. Damit können langfristige finanzstrategische Ziele realisiert werden, die mit Hilfe alternativer Finanzierungsformen nicht oder nur schwer umsetzbar wären. Die aktive Steuerung der Kapitalstruktur, insb. eine Verbesserung der Eigenkapitalrelationen, wird erleichtert. Ist der Zugang zum Kapitalmarkt einmal etabliert, ermöglicht dies die wiederkehrende und verbesserte Aufnahme externen Eigen- und Fremdkapitals. Das gilt einerseits für die Erweiterung auf kapitalmarktgängige Finanzierungsformen, z. B. Wandel- oder Optionsanleihe, andererseits für die Ausweitung auf internationale Kapitalmärkte. Bei entsprechend positiver Unternehmensentwicklung kann letztlich auch das Kapitalmarkt-Standing erhöht und langfristig die Finanzierungskonditionen verbessert werden.

Ein IPO steigert die Bekanntheit und Reputation des Unternehmens enorm

Die nachhaltige Erhöhung des Bekanntheitsgrades über einen publizitätswirksamen Börsengang ist als ein weiterer gewichtiger Vorteil zu werten. Der Emittent kann Kunden, Geschäftspartner und Mitarbeiter auf neuen Wegen erreichen. Über die Aktie steht ein neues Instrument zur Markenbildung und Produktwerbung zur Verfügung. Die verbesserte Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung erhöht zudem die Bonität und führt gleichfalls zu einer weiteren Steigerung der Reputation. Insbesondere im angelsächsischen Ausland gilt eine Börsennotierung als ein zusätzliches Gütesiegel und kann so die Beziehungen zu Kunden und Lieferanten gleichermaßen positiv beeinflussen.

Ein IPO schafft eine eigene Akquisitionswährung

Ebenfalls bietet eine Börsennotierung die Möglichkeit, die unterschiedlichen Instrumente und Strukturen für (internationale) Akquisitionen zu nutzen. Neben den durch ein IPO erlösten Finanzmitteln bieten sich in Form eines Aktientausches oder einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage flexible Instrumente, Unternehmensbeteiligungen zu realisieren. Durch die tägliche Kursfeststellung ist ein objektiver Wertmaßstab gegeben und über die Fungibilität der Anteile kann eine Akquisition auch aus Verkäufersicht deutlich an Attraktivität gewinnen.

Ein IPO eröffnet durch Mitarbeiterbeteiligung ein völlig neues Motivationsinstrument

Über das Instrument der (Belegschafts-)Aktie oder derivativer Instrumente eröffnet eine Börsennotierung die Möglichkeit, Mitarbeiter und insbesondere das mittlere Management an der Unternehmensentwicklung zu beteiligen. Dies wird als zusätzliches Mittel der Mitarbeitermotivation gesehen, vor allem kann die Attraktivität als Arbeitgeber insbesondere für internationale Führungskräfte gesteigert werden.

Ein IPO ermöglicht einen objektiven Wertmaßstab für die Bewertung des Unternehmens

Eine Börsennotierung ermöglicht die freie Handelbarkeit der Anteile. Durch den Handel und die tägliche Preisfeststellung wird die Bewertung von Anteilen vereinfacht und deren Übertragbarkeit z. B. bei Erb-, Nachfolge- und Abfindungsregelungen für Altgesellschafter ermöglicht. Der Marktpreis ist dabei Abbild der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens und der Einschätzung der Investoren. Gleichermaßen setzt er die Aktie in Wettbewerb zu Vergleichsunternehmen und stellt so auch einen relativen Wertmaßstab dar.

Ein IPO kann die Unabhängigkeit gewährleisten

Gerade in einem dynamische Wettbewerbsumfeld kann der Gang an die Börse wesentlich zum Fortbestand des Unternehmens und zur Sicherung des unternehmerischen Freiraums beitragen. Die Stärkung der Eigenkapitalbasis ermöglicht bspw. Investitionen oder die internationale Expansion als eigenständiges Unternehmen, ohne ein auf Teilmärkte beschränktes Akquisitionsobjekt zu bleiben.

Trennung von Eigentum und Management sichert eine weisungsunabhängige Unternehmensführung

Die klare Trennung von Eigentümer- und Managementfunktion ist eines der wesentlichen Charakteristika der börsennotierten Gesellschaft. Die strikte und transparente Gremien- und Aufgabenverteilung sichert eine weisungsunabhängige Unternehmensführung. Zudem wird die Attraktivität für Fremdmanagement gesteigert und ermöglicht eine Verbreiterung der Führungsbasis.

Sicherung des Einfluss der Altgesellschafter trotz IPO

Eine angemessen breite Streuung der Aktien begrenzt durch die atomisierte Eigentümerstruktur die Mitsprachemöglichkeiten. Dadurch kann auch bei reduziertem Anteilsbesitz der Altgesellschafter durch eine Hauptversammlungsmehrheit deren Einfluss geltend gemacht werden.

Flexible Vermögensdisposition durch Fungibilität der Aktien

Eine Börsennotierung macht die Gesellschaftsanteile handelbar (fungibel). Damit kann für den einzelnen Gesellschafter im Zuge des IPOs zunächst eine Teilrealisierung des unternehmerischen Risikos erfolgen. Zudem kann das Vermögen auch schrittweise über die Abgabe von Anteilen auf die jeweiligen Bedürfnisse des Gesellschafters zugeschnitten werden. Grundsätzlich frei von Stimmbindung und – gerade in Familienunternehmen häufig vorzufindenden Veräußerungsbeschränkungen – kann jeder Aktionär eigenständig über sein zukünftiges Engagement in der Aktiengesellschaft entscheiden und jederzeit Anteile über die Börse zu einem objektiv ermittelten Preis verkaufen. So können einzelne (Alt-)Eigentümer ihre unterschiedlichen Interessen im Hinblick auf ihre Vermögensdisposition umsetzen, ohne den Bestand des Unternehmens zu gefährden.


Autor: Christian Niederle
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