1.3. Private-Equity-Finanzierte IPOs (Gesamtwirtschaftlich)

Banken, andere Intermediäre und organisierte Märkte für Eigenkapital ergänzen sich bei der Vorsorgung der Unternehmen mit Kapital. In den letzten Jahren treten dabei als Kapitalgeber vermehrt Unternehmen der Private-Equity-Branche auf. Unter Private Equity versteht man alle Formen der Eigenkapitalbeteiligung außerhalb der Börse, weshalb auch vom außerbörslichen Beteiligungsmarkt gesprochen wird.

Was ist Private Equity?

Auch wenn sehr unterschiedliche, z. T. auch im öffentlichen Besitz stehende Unternehmen das Beteiligungsgeschäft betreiben, sind in erster Linie unabhängige Gesellschaften gemeint, wenn in der Öffentlichkeit über Private Equity debattiert wird. Diese stammen fast alle aus den USA und Großbritannien und sind in jüngster Vergangenheit zunehmend auch in Deutschland aktiv.

Besonderheiten von Private Equity

Außerbörsliche Beteiligungen weisen im Vergleich zu einer börslichen Beteiligung vier Besonderheiten auf, auf die sich kapitalsuchende Unternehmen einstellen müssen.

  1. Die Beteiligungen sind nur auf Zeit angelegt – zumeist auf drei bis sieben Jahre.
  2. Private Equity-Investoren zielen in der Regel auf die Partizipation am mittelfristigen Wertzuwachs des finanzierten Unternehmens. Sie verfolgen dabei in erster Linie finanzielle Ziele, was sie von strategisch orientierten Investoren aus dem erweiterten Kreis der Wettbewerber unterscheidet.
  3. Die Beteiligungsgesellschaften stellen nicht nur Risikokapital zur Verfügung. Sie sind auch in der Lage, das Management der Portfoliounternehmen bei der Erfüllung der Renditeziele zu unterstützen und greifen – sofern erforderlich – in die strategische Ausrichtung des Unternehmens ein. Das unterscheidet sie von traditionellen institutionellen Investoren wie beispielsweise Investmentfonds.
  4. Zum Geschäftsmodell gehört auch der Ausstieg aus der Finanzierung (Exit), der entweder sukzessive oder auf einmal erfolgen kann. Realisierte Erträge fließen – nach Abzug entsprechender Gebühren und Provisionen – dann an die Geldgeber zurück.

Arbeitsteilung zwischen Public Equity und Private Equity

Nach der traditionellen Sichtweise zum Zusammenspiel der verschiedenen Finanzierungsmuster passt sich die Form der Finanzierung des Unternehmens an den Lebenszyklus des Unternehmens bzw. seiner Produkte an. Insbesondere in den frühen Phasen spielt Private Equity eine entscheidende Rolle.

  • Venture Capital ist zuständig für die Frühphasenfinanzierung (Early Stage), bei der es um die Finanzierung eines unternehmerischen Konzepts (Seed), die Gründung des Unternehmens (Start-up) und gegebenenfalls noch die Markteinführung des ersten Produktes geht (First Stage).
  • Danach müssen entwickelte Produkte erfolgreich am Markt platziert und gegebenenfalls eine erste Expansion des Unternehmens finanziert sowie betriebswirtschaftlich-organisatorisch begleitet werden (Later-Stage-Finanzierung). Auch in dieser zweiten Finanzierungsrunde gelten Private-Equity- Geber als zentrale Finanzierungspartner. Die Finanzierungsvolumina steigen aber in der Regel an.
  • Gegebenenfalls schließt sich an diese Phase eine weitere, noch großvolumigere Finanzierungsrunde an, bei der im Wege eines Management-Buy-out oder Management-Buy-in eine grundlegende strategische Neuausrichtung durchgesetzt, eine weitere Expansion des Unternehmens finanziert und etwaigen Alteigentümern der (Teil-)Ausstieg ermöglicht werden.
  • Der Börsengang hat im traditionellen Phasenkonzept typischerweise seinen Platz als einer der potenziellen Ausstiegskanäle für Private-Equity Geber der zweiten und dritten Runde (Divesting Stage). Dieser dient außerdem der Finanzierung sehr kostspieliger unternehmerischer Vorhaben reiferer Unternehmen, die von einzelnen Kapitalgebern auch der Private-Equity-Branche nicht mehr getragen werden können. Als andere Möglichkeit des Ausstiegs wird häufig der Verkauf an einen strategischen Investor genannt.

Aus der Lehrbuchperspektive ergibt sich also eine relativ klare Arbeitsteilung zwischen der Private- Equity-Branche und börslichen Beteiligungen, die in dieser Form in der Praxis nicht zu finden ist: Riskante und geringvolumige Engagements in jungen Unternehmen sind Domäne des Beteiligungsmarktes, weniger riskante und großvolumige Engagements in reifen Unternehmen mit weiterem Wachstumspotenzial das der Börse. Verzahnt sind die Teilsegmente über den Börsengang, ohne den die Beteiligungsindustrie des wichtigsten Exit-Kanals beraubt wäre und der wichtige „Nachschub“ an neuen Aktien für die Anleger fehlen würde. Tatsächlich stammte rund die Hälfte der Börsengänge im Zeitraum von 2002 bis Anfang 2007 im Prime und General Standard zumindest teilweise aus den Portfolios der Beteiligungsbranche.

Verschwimmende Grenzen

Allerdings verschwimmen die Grenzen zwischen Private Equity und der Börse (Public Equity) in der jüngeren Vergangenheit etwas, so dass die klare Abfolge nicht immer Bestand haben muss:

  • Börse und Private Equity konkurrieren um besonders attraktive Unternehmen. Daher werden heute der Börsengang und der Einstieg eines Private- Equity-Investors häufig parallel zueinander geprüft (Dual Tracks).
  • Private-Equity-Unternehmen übernehmen zum Teil auch börsennotierte Unternehmen, um diese jenseits der Börse strategisch neu auszurichten (Public-to-Private-Transaktionen).
  • Börsen haben spezielle Segmente geschaffen, um jungen oder kleineren Unternehmen einen direkten Weg an den Kapitalmarkt zu bieten. Beispiele sind der Entry Standard an der Frankfurter Wertpapierbörse und der M:access in München.

Autor: Prof. Dr. Rüdiger von Rosen
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