1.17. Internationale IPOs

IPOs in Deutschland können in mehrerlei Hinsicht internationale Bezüge aufweisen: Es kann sich um ein ausländisches Unternehmen als Börsenkandidaten handeln oder ein deutscher Emittent hat wesentliche Tochtergesellschaften oder Absatzmärkte im Ausland. Häufig sind die emissionsbegleitenden Banken oder die Eigentümer des Emittenten ausländische Unternehmen. Aus struktureller Sicht sind ferner folgende internationale Elemente bei deutschen IPOs gebräuchlich: Ein zusätzliches öffentliches Angebot wird im Ausland durchgeführt, die Transaktion umfasst zusätzlich eine Privatplatzierung in den USA nach der sogenannten Rule 144A oder der Emittent plant eine weitere, parallele Börsennotierung im Ausland.

Internationalität auch bei inländischen IPOs

Internationale IPOs können sich über die Herkunft der Beteiligten ergeben: Börsengänge in Deutschland sind nicht auf deutsche Unternehmen beschränkt und die gesetzlichen Rahmenbedingungen sehen eine Gleichbehandlung in- und ausländischer Emittenten vor. Bei einigen Börsenkandidaten handelt es sich um ausländische Unternehmen und somit um einen in Deutschland stattfindendes, aber aufgrund dieses Umstandes internationales IPO. In der jüngeren Vergangenheit haben sich vor allem osteuropäische und asiatische Emittenten an einem deutschen IPO interessiert gezeigt und ihr Börsendebüt in Deutschland gegeben.

Auch der inländische Börsengang eines deutschen Unternehmens kann insbesondere folgende internationale Bezüge aufweisen und damit teilweise zu einem internationalen IPO werden:

  • Beteiligte an der Transaktion haben einen ausländischen Hintergrund; dies trifft häufig auf die Besetzung des Emissionskonsortiums mit ausländischen, in Deutschland agierenden Emissionsbanken zu, kann sich aber auch aus der Eigentümerstruktur erklären, beispielsweise bei ausländischen Private-Equity-Häusern im Aktionärskreis.
  • Der deutsche Emittent besitzt wesentliche Tochtergesellschaften im Ausland, die im Rahmen der Due Diligence zu prüfen sind, oder wichtige Absatzmärkte des Unternehmens liegen im Ausland.
  • Der Übernahmevertrag und andere vertragliche Vereinbarungen sind – wie marktüblich – in englischer Sprache verfasst oder
  • der Wertpapierprospekt wird in einer zusätzlichen englischsprachigen Fassung erstellt, um internationale Investoren besser ansprechen zu können.

Ausländisches öffentliches Angebot

Internationale IPOs können sich auch dann ergeben, wenn die Transaktionsstruktur internationale Komponenten enthält. Ein Beispiel ist die Durchführung eines ausländischen öffentlichen Angebots. Die Mehrzahl der deutschen IPOs sieht ein öffentliches Angebot von Aktien nur in Deutschland in Verbindung mit einer Privatplatzierung bei institutionellen Anlegern im europäischen Ausland vor. Anlass für ein zusätzliches öffentliches Angebot bietet sich aber dann, wenn der Emittent ein ausländisches, in seinem Herkunftsstaat bekanntes Unternehmen ist oder sein Heimatland einen wichtigen Markt darstellt, der als aufnahmefähig für die Aktienemission angesehen wird. Ein weiterer Grund kann darin liegen, dass ein deutsches Unternehmen ausschließlich einen englischsprachigen Wertpapierprospekt wünscht; diese Möglichkeit erschließt sich erst durch ein zusätzliches ausländisches Angebot, was dann typischerweise in Luxemburg stattfindet.

Zusätzliche öffentliche Angebote im EWR-Gebiet sind dank des europaweit vereinheitlichten Verfahrens der Prospektnotifizierung sehr leicht durchzuführen. Hierbei kann der in einem Land gebilligte und veröffentlichte Wertpapierprospekt für Angebote in weiteren Ländern verwendet werden, ohne dass es dort einer weiteren Anpassung, Prüfung und Billigung dieses Prospekts bedarf. Ausreichend sind die Benachrichtigung der Aufsichtsbehörde im betreffenden Land und gegebenenfalls die Übersetzung der Prospektzusammenfassung in die jeweilige Landessprache.

Privatplatzierung in den USA nach Rule 144A

Eine Privatplatzierung von Aktien in den USA nach Rule 144A ermöglicht es, bestimmte US-Investoren (sog. „Qualified Institutional Buyers“ oder „QIBs“) anzusprechen, ohne den aufwendigen Registrierungspflichten gegenüber der dortigen Aufsichtsbehörde nachkommen zu müssen. Sie wird als sinnvoll angesehen, um zusätzliches Nachfragepotenzial, eine höhere Marktakzeptanz der Emission und gegebenenfalls auch Preisvorteile zu generieren. Dem stehen ein überschaubarer Mehraufwand und bestimmte zusätzliche Kommunikationsbeschränkungen im Rahmen der Transaktion gegenüber.

Häufig wird die reguläre Angebotsstruktur – ein öffentliches Angebot in Deutschland mit einer Privatplatzierung bei institutionellen Investoren in Europa – um eine solche zusätzliche 144A-Komponente ergänzt. Dies geschieht insbesondere dann, wenn es sich um ein größeres Emissionsvolumen handelt, ein internationales Bankenkonsortium gebildet wurde, das Unternehmen bereits einen Bezug zu den USA aufweist oder es in spezifischen Sektoren wie der Hochtechnologie- und Softwarebranche tätig ist. Der auf die 144A-Platzierung typischerweise entfallende Anteil beträgt etwa 10 % bis 20 % des gesamten Emissionsvolumens.

Ausländische Börsennotierung

Eine zusätzliche ausländische Börsennotierung kann sich in zwei Konstellationen ergeben: Entweder erwirbt ein ursprünglich nur im Inland börsennotiertes Unternehmen später eine zusätzliche Börsenzulassung an einer ausländischen Börse (Secondary Listing). Diese Zweitnotierung wird im EWR-Gebiet gefördert durch eine Regel zur prospektfreien Zulassung, wenn eine Erstnotierung bereits über einen bestimmten Zeitraum bestand und die daraus folgenden Verpflichtungen erfüllt wurden. Im Übrigen hat der Emittent für ein Zweitlisting typischerweise dieselben örtlichen Zulassungsvoraussetzungen zu erfüllen wie dort ansässige Unternehmen. Oder die weitere Börsenzulassung wird simultan mit der inländischen Erstnotiz angestrebt (Dual Listing). Dieses parallele Listing ist im EWR-Gebiet auf Basis eines einzigen Prospekts möglich, der im Rahmen des Notifizierungsverfahrens mehrfach verwendet werden kann.

Ähnlich wie bei mehrfachen öffentlichen Angeboten ist bei weiteren Börsennotierungen häufig eine internationale Präsenzsteigerung beabsichtigt. Mehrfache Listings sind insbesondere für multinationale Konzerne beliebt gewesen, jedoch scheint dieser Trend heutzutage rückläufig zu sein. Unterschiedliche Zulassungsfolgepflichten in den einzelnen Ländern können zu erhöhtem Aufwand führen, und zum Teil sprechen Liquiditätsbedenken gegen einen gleichzeitigen Handel der Aktien an mehreren Börsen.

Innerhalb des EWR-Gebiets können Dual Listings aber weiterhin attraktiv sein, da die Zulassungsfolgepflichten voll harmonisiert sind und regelmäßig eine Informationsveröffentlichung im Herkunftsstaat mit europaweiter Verbreitung ausreicht. Bei Großunternehmen kann ein zwischen unterschiedlichen Börsen entstehender Arbitragehandel sogar liquiditätssteigernd wirken. Ein weiteres Motiv liegt möglicherweise darin, die Abdeckung des Unternehmens durch Finanzanalysten zu steigern und zu internationalisieren. Bedeutende ausländische Börsenplätze wie die London Stock Exchange und die NYSE Euronext in Europa sowie die NASDAQ und die New York Stock Exchange in den USA sind auch für Zwecke eines Dual Listing relevant.

Hinweis aus der Praxis

Internationale Elemente in der Transaktionsstruktur deutscher IPOs sollten so früh wie möglich rechtlich geprüft und zwischen den Beteiligten schon in der Vorbereitungsphase erörtert werden. Die spätere Entscheidung für ein zusätzliches öffentliches Angebot im Ausland wird während der Durchführungsphase regelmäßig nur kleinere Änderungen im Entwurf des Wertpapierprospekts nachsichziehen. Jedoch erfordern eine weitere, parallele Börsennotierung im Ausland wie auch eine Privatplatzierung in den USA nach der Rule 144A intensivere Vorbereitungen schon zu Beginn der Durchführungsphase und können in einem späteren Zeitpunkt nicht immer ohne Zeitverzögerungen in die Transaktion integriert werden.


Autor: Dr. Dietmar Anders
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