1.13. Open Market

Der Freiverkehr ist nicht öffentlich-rechtlich organisiert und kein organisierter Markt im Sinne des EU-Rechts. Vielmehr wird er von dem privatrechtlichen Träger der jeweiligen Börse betrieben und reguliert. Die Regulierung erfolgt beispielsweise im Falle der Frankfurter Wertpapierbörse über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Freiverkehr (AGB FV FWB, abrufbar unter www.deutsche-boerse.com). Verglichen mit dem regulierten Markt sind die Zulassungs- wie auch die Folgepflichten geringer. Derzeit werden im Open Market, dem Freiverkehr der FWB, ca. 19.000 Anleihen, 225.000 Optionsscheine und 9.000 Aktien deutscher und internationaler Unternehmen gehandelt.

Einbeziehungsvoraussetzungen Open Market

Die Einbeziehung in den Open Market richtet sich nach den AGB FV FWB. Sie ist von einem zur Teilnahme am Börsenhandel zugelassenen Unternehmen zu beantragen. Teilnehmer sind insbesondere Börsenhändler, § 19 BörsG. Wertpapiere können gemäß § 13 AGB Freiverkehr einbezogen werden, wenn

  • sie über eine International Securities Identification Number (ISIN) verfügen,
  • sie frei handelbar sind,
  • eine ordnungsgemäße Erfüllung der Geschäfte gewährleistet ist,
  • dem Börsenhandel keine behördlichen Verbote oder Untersagungen entgegenstehen,
  • sie entweder bereits zum Handel an einem in- oder ausländischen organisierten Markt zugelassen sind oder ein für sie erstellter Prospekt vorliegt, der von einer seitens der Deutsche Börse AG anerkannten Behörde gebilligt wurde. Der Prospekt darf nicht älter als sechs Monate sein und muss in deutscher oder englischer Sprache abgefasst sein. Ist kein solcher Prospekt vorhanden, kann der Teilnehmer ein Exposé erstellen, welches nähere Angaben über den Emittenten enthält.

Die Einbeziehung in den Freiverkehr erfordert nicht die Zustimmung des Emittenten der einzubeziehenden Wertpapiere.

Das o. g. Exposé muss nicht veröffentlicht, sondern lediglich bei der Börse hinterlegt werden. Außerhalb des Entry Standard treffen Folgepflichten lediglich den antragstellenden Handelsteilnehmer, nicht aber den Emittenten der Wertpapiere. So ist der antragstellende Handelsteilnehmer verpflichtet, die Deutsche Börse AG unverzüglich über alle wesentlichen Umstände zu unterrichten, die für die Beurteilung des Wertpapiers oder des Emittenten wesentlich sind, § 14 AGB Freiverkehr. Hierunter sind beispielsweise Veränderungen des Grundkapitals, Dividendenzahlungen und Hauptversammlungen zu verstehen. Eine Veröffentlichung dieser Veränderungen durch den jeweiligen Handelsteilnehmer ist jedoch nicht erforderlich. Weitere Folgepflichten, wie z. B. zur Erstellung von Zwischenberichten, entstehen durch die Einbeziehung in den Freiverkehr nicht. Für deutsche Aktiengesellschaften gelten lediglich die allgemeinen Pflichten aus dem Aktiengesetz, z. B. die Pflicht zur Mitteilung von Beteiligungsverhältnissen (§§ 20ff. AktG) oder zur Gleichbehandlung der Aktionäre (§ 53a AktG).

Checkliste

Einbeziehungsvoraussetzungen Entry Standard

  • Erfüllung der Einbeziehungsvoraussetzungen für den Open Market
  • Schriftliche Einwilligung des Emittenten
  • Beratungsvertrag des Emittenten mit einem Deutsche Börse Listing Partner (www.deutsche-boerse.com)
  • Aktueller Handelsregisterauszug
  • Gültige Satzung zum Zeitpunkt der Antragstellung
  • Unterschriebene Verpflichtungserklärung des antragstellenden Teilnehmers
  • Geprüfter Konzernabschluss mit Lagebericht des vorangegangenen Geschäftsjahres des Emittenten (IFRS oder nationale Rechnungsvorschriften) in deutscher oder englischer Sprache
  • Veröffentlichung eines Unternehmenskurzportraits auf der Unternehmenshomepage

Eine Prospektpflicht gem. § 3 Abs. 1 WpPG wird nicht ausgelöst, sofern die Einbeziehung nicht im Rahmen eines öffentlichen Angebots stattfindet. Dies ist dann der Fall, wenn es sich um eine Privatplatzierung oder ein reines Listing ohne ein damit zusammenhängendes Angebot an die Öffentlichkeit handelt, wobei ein öffentliches Bewerben der Wertpapiere unzulässig ist.

Für die gehandelten Wertpapiere gelten neben den allgemeinen Folgepflichten des Freiverkehrs die Verbotsregelungen des Insiderhandels sowie der Marktmanipulation, nicht aber die Regelungen zu Ad-hoc-Publizität und Directors‘ Dealings.

Entry Standard

Mit der Einführung des Entry Standard im Open Market wurde vor allem für kleine und mittlere Aktiengesellschaften ein Premiumsegment geschaffen, das gleichwohl einen kostengünstigeren Zugang zum Kapitalmarkt bietet als der regulierte Markt.

Der Transparenzstandard ist höher als im Open Market. Der Entry Standard soll nach Angaben der FWB insbesondere auch eine spätere Notierung im regulierten Markt vorbereiten und ist auch für junge mittelständische Unternehmen bzw. als Exit-Kanal von Private-Equity-Investoren gedacht. In den Entry Standard können lediglich Aktien einbezogen werden. Die Einbeziehung geschieht in der Regel innerhalb weniger Börsentage. Als Entgelte werden 5.000 Euro jährliche Notierungsgebühr sowie 1.500 Euro (prospektfreie Privatplatzierung) bzw. 750 Euro (Platzierung mit Prospekt) einmaliges Einbeziehungsentgeld fällig.

Checkliste

Zulassungsfolgepflichten

Entry Standard

Veröffentlichung auf der Webseite des Emittenten

  • Tatsachen, die wegen ihrer Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage oder den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten geeignet sind, den Börsenpreis der Aktien erheblich zu beeinflussen (sog. „quasi Ad-hoc“), z. B.:
    • Kapitalmaßnahmen (Kapitalerhöhungen, -herabsetzungen, Aktienteilungen, Ausgabe von Bezugsrechten)
    • Dividendenzahlungen
    • Insolvenz
    • Wechsel im Vorstand/AR
    • Veränderung von wesentlichen durch den oder an dem Emittenten gehaltenen Beteiligungen
  • Geprüfter Konzernjahrsabschluss samt Konzernlagebericht nach nationalen Rechnungslegungsvorschriften oder IFRS innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Berichtszeitraums
  • Zwischenbericht innerhalb von drei Monaten, nach Ende des ersten Halbjahres
  • Jährlich zu aktualisierendes Unternehmenskurzportrait
  • Aktueller Unternehmenskalender mit wesentlichen Terminen (Analysten-, Investorenpräsentation, Hauptversammlung)

M:access

Die Börse München hat mit M:access ebenfalls ein entsprechend konzipiertes Segment geschaffen. Es steht Unternehmen offen, die entweder im Freiverkehr oder im regulierten Markt notiert sind und über eine freiwillige Erhöhung der Transparenz die Visibilität am Kapitalmarkt erhöhen wollen. Regelungen finden sich in dem Regelwerk M:access (abrufbar unter http://www.boerse-muenchen.de), das ergänzend zu den Freiverkehrsrichtlinien und der Börsenordnung gilt.


Autor: Holger Hirschberg/Philipp Melzer/Stephan Parrandier/Dr. Andreas Zanner
PDF: Open Market