4.4. Aufgaben des IPO-Beraters

Der IPO-Berater kann eine wesentliche Rolle im IPO-Prozess spielen. Er steht immer in einem natürlichen Spannungsverhältnis zu den konsortialführenden Banken. Seine Leistungen überschneiden sich zum Teil mit den Leistungen der Banken und werden daher von diesen nicht immer vorbehaltsfrei gesehen. Die IPO-Praxis zeigt aber, dass in vielen Fällen ein unabhängiger IPO-Berater, der den Banken gegenüber nicht verpflichtet ist, eine wertvolle Rolle für das IPO-Unternehmen spielen kann.

Zum Kern des Börseneinführungsteams gehören als Kapitalmarktexperten auch die Emissionsberater.

Für die Vorbereitung und die Durchführung eines Börsengangs wird traditionell eine Vielzahl von externen Beratern verpflichtet. Dies bringt einen hohen Koordinierungs- und Abstimmungsbedarf mit sich, der ohne eine professionelle bankenunabhängige Projektführung mit der entsprechenden Erfahrung auf diesem hochspezialisierten Gebiet vom Unternehmen selbst nicht zu leisten ist. Hierbei ist zu bedenken, dass ein Börsengang viel Managementkapazität bindet, der normale Geschäftsbetrieb aber weitergehen muss. In der Praxis hat sich deshalb die frühzeitige Mandatierung eines bankenunabhängigen Emissionsberaters bewährt.

Der Emissionsberater unterstützt das Management bei den Vorbereitungen für den Weg an die Börse und übernimmt in der Regel auch die Projektkoordination.

Seine Aufgaben umfassen im Allgemeinen die folgenden Teilaspekte eines Börsengangs:

  • Prüfung der Kapitalmarktfähigkeit bzw. der Börsenreife des Unternehmens
  • Prüfung der Unternehmensstrategie
  • Projektmanagement und Koordination sämtlicherexterner Beteiligter im Sinne des Emittenten inenger Kooperation mit dem Management-Team
  • Erstellung des Emissionskonzeptes (strukturelleEckpunkte des Börsengangs)
  • Ausarbeitung eines indikativen Zeitplans für denBörsengang
  • Unterstützung des Unternehmens bei derErstellung einer IPO-Unternehmensplanung
  • Bewertung des Unternehmens oder von Unternehmen und Unternehmensteilen im Rahmender Pre-IPO-Konzernstrukturierung (Pre-IPOBewertung)
  • Entwicklung der Equity Story und der Erstellung des Factbook
  • Vorbereitung und Begleitung des Beauty Contestder Emissionsbanken sowie Unterstützung des Unternehmens bei der Auswahl und derMandatierung der anderen extern beteiligtenBerater
  • Erstellung einer Management-Präsentation (Presse/Analysten)
  • Unterstützung bei der Vorbereitung und Koordination der Analystenmeetings und beim Pilot Fishing

Dem Emissionsberater, der das Unternehmen von Anfang an bei dem Börsengang begleiten sollte, obliegt insbesondere die Wahrnehmung der Interessen der Eigentümer gegenüber den Banken.

Soweit die Vergabe des konsortialführenden Mandats über einen Beauty Contest erfolgt, was in der Praxis die Regel und mit Blick auf die anteiligen Emissionskosten grundsätzlich zu empfehlen ist, wird von jeder Bank eine Bewertungsindikation abgegeben. Dabei ist zu beobachten, dass die Banken zum Teil zu sehr unterschiedlichen Unternehmenswerten kommen. Häufig werden in diesem Zusammenhang von den Emissionsbanken hohe Emissionspreise ermittelt, die nach der Mandatierung der Emissionsbank durch die Financial-Due-Diligence-Gutachter wieder reduziert werden. Damit das Unternehmen die vorliegenden Bewertungsindikationen auch richtig beurteilen kann, empfiehlt sich vor dem Beauty Contest eine erste Börsenbewertung von einem unabhängigen und neutralen Emissionsberater erstellen zu lassen.

Die wichtigsten Kriterien für die Auswahl eines Emissionsberaters sind Kompetenz, Transaktionserfahrung (Track Record), Branchenkenntnisse und Kontakte zu den wichtigsten Marktteilnehmern (Banken und Investoren).

Empirische Studien belegen, dass beispielsweise die am Entry Standard gelisteten Unternehmen mehrheitlich ihren Börsengang mit einem unabhängigen Emissionsberater durchgeführt haben. Dies unterstreicht die maßgebliche Rolle eines Emissionsberaters auf dem Weg an die Börse.


Autor: Günter Kaehlert
PDF: Aufgaben des IPO-Beraters