4.15. Environmental Due Diligence

Das gestiegene Umweltbewusstsein sowie das Risiko von Umweltschäden bei Unternehmen hat die Environmental Due Diligence bei einer Vielzahl von Unternehmensanalysen neben die anderen Analysefelder einer Due Diligence gerückt.

Die potenziellen Haftungsrisiken und die damit zusammenhängenden Kosten müssen im Vorfeld eines IPOs offengelegt werden.

Aufgaben und Ziel

Die Erfassung möglichst aller umweltrelevanten Probleme, aber auch die Ermittlung der finanziellen Risiken, die von einem Standort ausgehen oder auf diesen einwirken, ist die Aufgabe einer Environmental Due Diligence. Ziel ist somit die Erkennung und Bewertung umweltrelevanter Risiken, die sich aus den verschiedenen Bereichen der Produktion und Lagerung ergeben können. Diese können offen zu Tage treten, wie z. B. beim Zustand von Lager-, Produktionsstätten, Be- oder Umfüllstationen bis hin zu der der Entsorgung dienenden Flächen. Sie können aber auch eher versteckt sein, wie Mängel in Abwasserrohren oder unter der Erdoberfläche befindlichen Lagerungen von Schadstoffen.

Weiterhin gehört es zur Aufgabe einer Environmental Due Diligence, die erforderlichen Betriebsgenehmigungen und Fragen der Arbeitssicherheit zu überprüfen sowie die Überwachung, die Kontrolle und die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften zu gewährleisten.

Für die Überprüfung möglicher Umweltlasten empfiehlt es sich, ein externes Team von Technikern, Chemikern, Umweltjuristen und weiterer Spezialisten einzusetzen. Besonderes Gewicht hat hierbei der rechtliche Sachverständige, da bei einer Nichtbeachtung, sei es aus Fahrlässigkeit oder Unwissenheit, erhebliche finanzielle Folgen eintreten können. Bei der Regelungsvielfalt deutscher und europäischer Behörden, die über 10.000 umweltrelevante Vorschriften zu überprüfen haben, spielt der umweltrechtliche Sachverstand eine ausschlaggebende Rolle.

Der Nutzen einer Umwelt Due Diligence wird sich somit auf verschiedene Aspekte erstrecken, so z. B. auf die Identifizierung verborgener Risiken, die Klärung von Haftungsfragen, die Vermeidung von Strafen und die Inanspruchnahme externer Verursacher.

Grundlagen der Environmental Due Diligence

Die Analyse der umweltrelevanten Risiken kann sehr komplex sein. Der Umfang und damit die Kosten werden nach Branchen erheblich variieren. Die vielschichtigen Themenkomplexe können sich so z. B. auf die Boden/Grundwasserbelastungen, Innenraumschadstoffe, Energieverbräuche, Trinkwasser- und Abwasserqualität, radioaktive Emissionen, Abwassersysteme, Abfallentsorgung, Luftschadstoffe, Lärmbelastungen, Wärmedämmung und Bausubstanz beziehen.

Ebenso werden die umweltrelevante Gesetze und Verordnungen, die immer für den jeweiligen Standort von Bedeutung sind, als eigenständiger Themenkomplex analysiert. Die umweltrelevanten Verordnungen können sich dabei auf EU-, Bundes, Landes- oder Kommunalebene beziehen.

Insbesondere die Risiken, die sich aus der Grundwassersituation und aus den auf dem Betriebsgelände lagernden Produkten oder Rohstoffen sowie aus Tankanlagen und Batteriestationen ergeben, können zu erheblichen Kostenbelastungen führen. Erfahrene Gutachter können anhand des Produktionsverfahrens und der dazu erforderlichen Stoffe relativ schnell die Analyseschwerpunkte eingrenzen, in denen intensive Erhebungen erforderlich sind. Bei manchen Umweltbelastungen sind die Risiken solange nicht relevant, wie die Nutzung des Geländes sich nicht verändert. Die Höhe der zu erwartenden Kosten für die Beseitigung der Umweltlasten ist ein Anhaltspunkt dafür, ob intensive Untersuchungen erforderlich sind. Auch bei einer Environmental Due Diligence ist auf die Vertretbarkeit der Aufwendungen zu achten. Wenn diesem Kriterium Genüge getan ist, können die erforderlichen Grund- und Abwasseruntersuchungen, Bodenproben und Luftmessungen vorgenommen werden.

Bei allen Unternehmen, die eine Verarbeitung oder Herstellung umweltgefährdender Stoffe vornehmen, sind die Kosten der Genehmigung, der Entsorgung und für den laufenden Umweltschutz einer gesonderten Plausibilitätsprüfung zu unterziehen. Hier geht es z. B. um Abwassermengen oder Produktionsabfälle. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Modernität der Produktionsanlagen im Hinblick auf die Vermeidung von Abfällen zu achten. Soweit hier Rechtsstreitigkeiten mit Nachbarn oder öffentlichen Behörden bestehen, ist eine besondere Risikoabwägung erforderlich.

Ablauf der Environmental Due Diligence

Der Ablauf ist abhängig vom Auftragsumfang. Daher sind zu Beginn die Themenkomplexe exakt abzugrenzen. Um diese Abgrenzung vornehmen zu können, ist eine Betriebsbegehung zu empfehlen. Die weiteren Analyseschritte können dann nach dieser Betriebsbegehung und der ersten Beurteilung der Produktionsverfahren konzipiert werden. Dabei sollten bereits alle umweltrelevanten Sachverhalte ermittelt werden. Dies kann teilweise durch entsprechende Fragebögen unterstützt werden. Weitere Informationen lassen sich aus Protokollen von Behörden, aus Unbedenklichkeitsbescheinigungen und gegebenenfalls durch Veröffentlichungen in Verbandsmitteilungen gewinnen.

Diese erste Phase einer Environmental Due Diligence dient dazu, möglichst schnell am Standort vorliegende Informationen auszuwerten und durch die Vor- Ort-Besichtigung erste Anhaltspunkte für Gefahrenmomente und Risiken für die Umwelt zu ermitteln. Das Ergebnis dieser Phase kann eine Umweltrisikobewertung sein. In der folgenden zweiten Phase, die auf der Kostenschätzung der ersten Phase aufbaut, wird der Gutachter z. B. Bodenproben entnehmen, Luftmessungen durchführen, Erkundigungen bei Behörden einholen, Laboruntersuchungen durchführen. Der Gutachter tritt hierbei in engen Kontakt zu den technischen Mitarbeitern. Wie bei den anderen Analysefeldern einer Due Diligence sollte auch bei einer Environmental Due Diligence ein sachverständiger Firmenmitarbeiter dem Gutachter zu Auskünften und zur Koordination zur Verfügung stehen.

Den Erhebungen und Untersuchungen schließt sich die Berichterstellung an. Der Bericht sollte neben den Aussagen über die möglichen Umweltrisiken auch eine detaillierte Aussage über die damit korrespondierenden Kosten beinhalten. Ebenfalls obligatorisch sollte eine Beurteilung über die Einhaltung der standortrelevanten Gesetze und Verordnungen (Rechtskonformitätsprüfung) sein.

Die Ergebnisse des Gutachters sollten in jedem Fall eine Argumentationsbasis für mögliche zusätzliche Kosten bilden, Empfehlungen über Haftungsübernahmen enthalten und eine realistische Einschätzung über die behördlichen Sanktionen abgeben. Die Ergebnisse einer Environmental Due Diligence können auch die Grundlage für ein Umweltmanagementsystem des Unternehmens sein.


Autor: Prof. Dr. Jürgen Wegmann
PDF: Environmental Due Diligence