4.12. Tax Due Diligence

Die Tax Due Diligence gehört zum Bestandteil einer Due Diligence bei jedem IPO. Die Komplexität und die zum Teil gravierenden finanziellen Auswirkunken erfordern den Einsatz von steuerlichen Fachleuten. Hierbei reicht das Wissen und die Erfahrung der Steuerabteilung des IPO-Unternehmens meist nicht aus. Börsenerfahrene Steuerexperten, die in der Regel von der konsortialführenden Bank beauftragt werden, sind hier die richtigen Ansprechpartner für steuerliche Fragestellungen bei einem IPO.

Zielsetzungen einer Tax Due Diligence

Die Tax Due Diligence ist ein integraler Bestandteil des Gesamtprozesses eines IPOs. Schon in der ersten Phase eines IPOs, die mit den Begriffen IPO-Konzeption und Unternehmensanalyse beschrieben werden kann, wird der mit der Durchführung des Tax Due Diligence betraute Berater hinzugezogen, um die Börsenfähigkeit des Unternehmens aus steuerlicher Sicht zu beurteilen.

Im weiteren Verlauf des IPO-Prozesses fokussiert sich die Tax Due Diligence auf die Bereitstellung der notwendigen Informationen über steuerliche Themen und Risiken für die im Rahmen des IPOs in vielfältiger Weise zu erfüllenden Publizitätspflichten, insbesondere im Rahmen der Erstellung eines Börsenprospektes.

Dabei beschränkt sich die Tax Due Diligence nicht allein auf die passive steuerliche Risikoanalyse der Vergangenheit des IPO-Unternehmens, sondern umfasst auch den Bereich der Aufbereitung und Darstellung entscheidungserheblicher Informationen im Rahmen der Finanzberichterstattung (sog. Tax Accounting), um den Finanzmarkteilnehmern eine Bewertung des IPO-Unternehmens zu ermöglichen.

Neben der Vielzahl der steuerlichen Angaben, die bereits für die laufenden Jahresabschlüsse nach internationalen Rechnungslegungsstandards erforderlich sind, wird im Rahmen der Tax Due Diligence auch überprüft, ob im Vorfeld des Börsengangs noch anstehende Umstrukturierungsmaßnahmen im Rahmen der von dem Unternehmen zu erstellenden Pro-Forma-Abschlüsse zutreffend abgebildet werden.

Im Fokus von Analysten, Investmentbanken und zukünftigen Aktionären stehen dabei Kennzahlen wie die Konzernsteuerquote (d. h. der als Prozentsatz ausgedrückte Quotient aus dem laufenden und latenten Ertragsteueraufwand und dem Jahresergebnis vor Steuern).

Die Konzernsteuerquote (Effective Tax Rate) wird auch zur Ableitung des zukünftig anzuwendenden Steuersatzes und damit der Ableitung des zukünftigen Steueraufwandes verwendet und findet so über die Herleitung eines zukünftigen Nettoertrages nach Steuern Eingang in alle bekannten Unternehmensbewertungsverfahren.

Die Veränderung der Konzernsteuerquote hat dabei eine ernorme Hebelwirkung auf die Marktkapitalisierung des IPO-Unternehmens, da die Absenkung der Konzernsteuerquote um nur wenige Prozentpunkte eine Verbesserung des Gewinns je Aktie (Earning per Share) zur Folge hat, die ansonsten nur durch eine erhebliche Umsatzsteigerung möglich ist. Die Hebelwirkung spiegelt dabei die Rolle des Steueraufwandes als eine der wichtigsten Aufwandspositionen des IPO-Unternehmens wider.

Ein effizientes Management des Ertragsteueraufwandes ist daher eine wesentliche Voraussetzung für einen erfolgreichen Börsengang.

Verfahrensablauf

Die Beauftragung des Tax-Due-Diligence-Teams erfolgt in der Regel durch die das IPO leitende Konsortialbank. Das Tax-Due-Diligence-Team wird auf Seiten des IPO-Unternehmens tätig und hat damit unbegrenzten Zugang zu allen steuerlich relevanten Informationen und wird durch das interne und externe Steuerteam des IPO-Unternehmens aktiv unterstützt.

Neben der Befragung des internen und externen Steuermanagements sowie weiterer Ansprechpartner wie Controller oder Wirtschaftsprüfer wird zur Informationsbeschaffung in der Regel ein Datenraum angelegt, der die steuerlich relevanten Unterlagen und Dokumentationen wie Steuererklärungen, Steuerbescheide und Betriebsprüfungsberichte enthält.

Für die Tax Due Diligence bei ausländischen Tochtergesellschaften wird der mit der Durchführung der Tax Due Diligence beauftragte Berater im Allgemeinen Teams aus den jeweiligen Ländern hinzuziehen.

Die Ergebnisse der Tax Due Diligence werden schließlich in einem Report zusammengefasst, der den steuerlichen Status aus Unternehmenssicht beschreibt.

Umfang einer Tax Due Diligence

Aufgrund ihrer Zielsetzung umfasst die Tax Due Diligence die steuerliche Risikoanalyse der Vergangenheit, die Analyse der Leistungsfähigkeit des internen und externen Steuermanagements, die Analyse der Darstellung der steuerlichen Risiken und Chancen im Rahmen des Tax Accountings.

Die steuerliche Risikoanalyse der Vergangenheit des Unternehmens fokussiert sich in zeitlicher Hinsicht auf Besteuerungszeiträume, die verfahrenstechnisch noch „offen“ sind und für die daher noch Steuernachzahlungen drohen.

Neben den klassischen Steuerarten Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Grunderwerbsteuer und Quellensteuer wird der sachliche Umfang der Tax Due Diligence anhand der Besonderheiten des Unternehmens ausgerichtet. So macht der Börsengang eines Energieunternehmens die Prüfung von Energiesteuern (Stromsteuer, Mineralölsteuer etc.) oder der Börsengang eines Handelsunternehmens die Prüfung des Themenfeldes Zoll erforderlich.

Die Tax Due Diligence umfasst dabei in der Analyse unter anderem folgende steuersensible Risikobereiche:

  • Analyse des sog. Tax Accountings, d. h. der bilanziellen Berücksichtigung von steuerlichen Risiken, Analyse von Steuerrückstellungen, aktiven und passiven latenten Steuerpositionen im Konzernabschluss
  • Finanzierungsstruktur im Hinblick auf die Abzugsfähigkeit von Zinsen (Zinsschranke, Überentnahmeproblematik etc.)
  • Reorganisationen in der Vergangenheit (Risiko der Aufdeckung und Versteuerung stiller Reserven)
  • Anerkennung steuerlicher Organschaften (Wirksamkeit von Gewinnabführungsverträgen, Durchführung der Organschaften)
  • Bestand und Nutzung von Verlustvorträgen und Möglichkeiten der künftigen Nutzung
  • Transaktionen mit verbundenen Unternehmen, d. h. alle Aspekte des Themas Verrechnungspreise
  • Quellensteuern, insbesondere auf verdeckte Gewinnausschüttungen
  • Steuerliche Behandlung von Mitarbeiterbeteiligungsmodellen

Autor: Dr. Tillmann Pyszka
PDF: Tax Due Diligence